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Die Perserinnen - Babylon 323

Die Perserinnen - Babylon 323

Titel: Die Perserinnen - Babylon 323 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfriede Fuchs
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können wir offen sprechen. Amyntas hat nach Philipps Tod in der
Heeresversammlung tatsächlich Anspruch auf die Thronfolge erhoben. Aber
Alexander hatte sich im Gegensatz zu ihm im Krieg bewährt, er hatte Erfahrung
im Regieren, er war energischer und zupackender. Deshalb entschied sich die
Heeresversammlung für ihn und gegen Amyntas.“
    „Die Heeresversammlung?“ Jetzt kamen sie der Sache näher.
    „Die Versammlung aller waffenfähigen Makedonen. Sie wird
einberufen, wenn ein König gestorben ist.“
    „Die Heeresversammlung bestimmt also, wer der nächste König
wird?“
    „Ganz so einfach ist es nicht.“ Eumenes legte die
Fingerspitzen vor der Brust zusammen und sah zur Decke. Offenbar dachte er
nach. „Was weißt du über griechische Staatskunde?“
    Das Thema hatte in dem Unterricht, den Paruschjati und die
anderen Mädchen in Susa genossen hatten, eine gewisse Rolle gespielt, und im
Gegensatz zu den anderen hatte Paruschjati mit Interesse zugehört. Aber auch
das musste Eumenes nicht wissen. „Nicht viel.“
    „Macht nichts, das kannst du ohnehin alles vergessen.“
Eumenes, der inzwischen spürbar aufgetaut war, beugte sich vor. „Makedonien ist
keine griechische Polis mit einer Verfassung und festen Institutionen. Es ist
eher eine archaische Stammesgesellschaft, wie es sie im übrigen Griechenland
vielleicht vor tausend Jahren gegeben hat. Institutionell gesehen, ist der
makedonische Staat also rückständig. Man könnte fast denken, es gibt gar
keinen. Tatsächlich verfügt er über den Organisationsgrad einer Räuberbande. Es
gibt nur den Hauptmann, hochtrabend ‚König‘ genannt, und die Räuber, also die
Heeresversammlung. Weitere Institutionen wie Beamte, Gerichte und so weiter
existieren nur insoweit, als der König sie einzusetzen geruht. Natürlich gibt
es gewisse Traditionen, aber die sind nirgendwo verbindlich festgehalten.“
    „Interessant“, sagte Paruschjati. „Bei uns Persern ist die
Situation in vielem ähnlich. Auch bei uns gibt es Traditionen, die nicht
schriftlich festgelegt sind, und auch bei uns liegt alle Macht in den Händen
des Königs. Allerdings gibt es bei uns keine Heeresversammlung. Was genau
geschieht, wenn sie zusammentritt?“
    Nachdem Eumenes seine Meinung über die Makedonen und ihren
Staat losgeworden war, hatte er sich wieder entspannt zurückgelehnt. „Im
Idealfall gibt es einen erwachsenen Königssohn, der sich bereits im Krieg
bewährt hat und seit Jahren als Thronfolger anerkannt ist. Er tritt vor die
Versammlung und hält eine mitreißende Rede, die Krieger jubeln ihm zu und
rasseln mit den Waffen, und das war es dann.“
    „Und wenn es mehrere Anwärter gibt?“
    „Dann macht der durchsetzungsfähigste das Rennen. Der, der
am meisten Rückhalt bei den mächtigen Leuten hat und die Heeresversammlung
davon überzeugen kann, dass er der am besten geeignete Kandidat ist. Eigentlich
kein schlechtes System, wenn man einmal von dem damit häufig verbundenen
Blutvergießen absieht. Auf jeden Fall sind die Makedonen auf diese Weise immer
zu überaus fähigen Herrschern gekommen.“
    „Was geschieht, wenn überhaupt kein bewährter und
durchsetzungsfähiger Anwärter vorhanden ist?“
    „Genau das ist das Problem, vor dem wir möglicherweise bald
stehen könnten, nicht wahr? Ich denke, wir nähern uns jetzt dem eigentlichen
Grund deines Hierseins.“
    Eumenes grinste überlegen, wohl um zu zeigen, dass auch er
nicht so ahnungslos war, wie Paruschjati vielleicht annahm. Natürlich war sie
nicht gekommen, um ihn über den makedonischen Staat auszufragen, sie wollte
wissen, was geschehen würde, wenn der König starb. Instinktiv spürte sie, dass
Eumenes bereit war, ihr mehr zu verraten, wenn sie nur die richtigen Fragen
stellte.
    „Barsines Sohn Herakles ist drei Jahre alt“, begann sie
vorsichtig. „Roxane ist im achten Monat, und Stateira hat vor Kurzem bekannt
gegeben, ebenfalls schwanger zu sein. Das wären also drei potenzielle Anwärter,
von denen jedoch keiner erwachsen und regierungsfähig wäre ...“
    „… wobei im Fall der beiden letztgenannten Damen erst einmal
abzuwarten bleibt, ob sie überhaupt männlichen Nachwuchs in die Welt setzen.
Auf der anderen Seite könnte durchaus noch von anderer Seite mit einem
Kandidaten zu rechnen sein.“
    Eumenes setzte ein vielsagendes Grinsen auf, das Paruschjati
geflissentlich ignorierte. „Wenn der König jetzt sterben sollte, wäre Herakles
der einzige Sohn, der bereits geboren ist“, sagte sie

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