Die Perserinnen - Babylon 323
Lächeln auf seinem Gesicht. Die anderen
Eunuchen zogen ebenfalls ihre Dolche und traten hinter hin. Auf der anderen
Seite des Saales griff Jolaos zu seinem Schwert, und seine Kameraden folgten
seinem Beispiel. Sie kamen näher, jeden Augenblick musste es zum offenen Kampf
kommen.
Plötzlich flogen die Flügel der großen Tür auf.
Bewaffnete stürmten herein, mit Gebrüll und Waffengeklirr
und dem Stampfen schwerer Soldatenstiefel. Immer mehr fluteten in den Raum.
Jemand rief Befehle, dann hörte Paruschjati, wie mit einem dumpfen Krachen die
schwere Flügeltür geschlossen und der Riegel vorgeschoben wurde. Fast im
nächsten Moment schon wurde von draußen gegen die Tür gehämmert.
Kassandros und Medios waren ebenso plötzlich verschwunden
wie Bagauva samt Anhang, fortgespült vom Ansturm der Menge. Instinktiv suchte
Paruschjati bei der Bahre Schutz, in der Hoffnung, dort noch am ehesten sicher
zu sein.
„Du?“, fragte eine junge Stimme. „Was machst du denn hier?“
Es war Stratokles – oder Ilioneus? –, der Paruschjati entgeistert anstarrte. Er
musste zusammen mit den anderen gekommen sein, unter den Pagen, die mit Jolaos
die Totenwache gehalten hatten, hatte sie ihn nicht bemerkt.
Der Junge schluckte seine Verblüffung herunter, er war
Soldat, er war im Einsatz. Geistesgegenwärtig brüllte er: „Ilioneus, Perilaos,
Koiranos, hierher!“ Die Jungen liefen herbei und bildeten einen schützenden
Kreis um Paruschjati.
„Was hat das zu bedeuten?“, fragte sie.
Stratokles erwiderte: „Aufruhr in der Versammlung. Perdikkas
wollte Roxanes Sohn zum König ausrufen und sich selbst zum Regenten. Doch
Meleagros hat die Phalangiten aufgehetzt und mit ihnen den Thronsaal gestürmt.“
Das Dröhnen an der Tür wurde lauter und rhythmischer,
offenbar hatte jemand eine Art Rammbock organisiert. Die Verteidiger stemmten
sich von innen mit aller Macht gegen die Türflügel, doch der Riegel konnte
jeden Augenblick brechen. Paruschjati sah Perdikkas sich hektisch mit Leonnatos
und Ptolemaios beraten.
„Sie brüllten dauernd ‚König Philipp‘“, setzte Ilioneus den
Bericht fort, „Damit meinen sie Arridaios, sie wollen ihn zum König machen. Wir
mussten uns vor ihrer Übermacht zurückziehen.“
Mit lautem Krachen brach der Riegel, die Türflügel schwangen
zur Seite. Die runden Schilde der Phalanx wurden zwischen den Pfosten sichtbar,
in geschlossener Front schoben sie sich weiter in den Saal. Das Geschrei riss
ab und wich atemloser Anspannung, während Perdikkas’ Anhänger zurückwichen.
Eine Gestalt in einem purpurfarbenen, mit Gold durchwirkten
Umhang betrat den Raum. Um ihren Kopf glitzerte das königliche Diadem.
Paruschjati blinzelte überrascht – das war unmöglich! Dann begriff sie: Nicht
der König. Arridaios. Er trug die königlichen Insignien. Nur wenn man genauer
hinsah, fielen sein teilnahmsloses Gesicht und die unbeholfene Haltung auf.
Neben Arridaios stand Meleagros, wilden Triumph im Gesicht,
in der Rechten einen Speer, in der Linken einen mit konzentrischen Ringen aus
Gold und Elfenbein geschmückten Schild. Meleagros hatte die Waffen des Königs
an sich genommen; der Gurt des Schwertes hing über seiner Schulter.
Perdikkas’ Anhänger scharten sich in der Mitte des Saales um
die Bahre, wie um sie gegen die Angreifer verteidigen, doch zugleich wirkte es,
als suchten sie selbst Schutz bei ihr. Schweigend standen die feindlichen
Parteien einander gegenüber.
Dann brüllte Meleagros: „Tötet die Verräter!“
Jemand warf einen Speer. Er blieb im Holz des Katafalks
stecken, doch das war das Zeichen, auf das alle gewartet hatten. Noch mehr
Speere flogen von beiden Seiten, jeden Augenblick würde es zu einem Blutbad
kommen.
Plötzlich zog ein Mann in der vordersten Reihe der
Eindringlinge seinen Helm vom Kopf und brüllte Befehle im rauen Dialekt der
Makedonen. Die Soldaten um ihn herum zögerten kurz, dann ließen sie ihre Waffen
sinken und nahmen ebenfalls die Helme ab. Die Menge, die eben noch Anstalten
gemacht hatte, übereinander herzufallen, erstarrte.
„Hört auf mit diesem Irrsinn!“ Der Mann, der als Erster
seinen Helm abgenommen hatte, trat in den freien Raum zwischen die feindlichen
Parteien. Der Taxiarch Attalos; er war unter den Offizieren gewesen, mit denen
Paruschjati den Marduk-Tempel aufgesucht hatte.
„Wir sind Makedonen – Waffenbrüder! All die Jahre haben wir
Seite an Seite gekämpft und geblutet, wir haben reißende Flüsse und
schneebedeckte Berge
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