Die Perserinnen - Babylon 323
und den einen oder anderen vernünftig gebliebenen Phalanx-Offizier
auf deine Seite zu ziehen.“
„Eine gute Idee.“ Perdikkas’ Gesicht hellte sich auf. In
einer ungewohnt kameradschaftlichen Geste legte er Eumenes die Hand auf die
Schulter. „Was ist mir dir? Kommst du mit uns?“
Eumenes schüttelte den Kopf. „Ich bleibe am besten hier im
Palast, ich habe meine Arbeit zu tun.“ Er grinste sarkastisch. „Außerdem möchte
ich mich als Grieche nicht in die inneren Angelegenheiten der Makedonen
einmischen.“
Den Rest des Tages verbrachten die Frauen im Palast in
Furcht und Schrecken. Aus Angst vor Meleagros und seinen Anhängern ließen sie die
Türen verrammeln. Als die Zeit verging und keine plündernden Horden sich
blicken ließen, schöpfte Paruschjati allmählich Hoffnung, dass Meleagros
zumindest für den Augenblick von seinem Vorhaben abgekommen war.
Gegen Abend tauchten zu ihrer Überraschung Okschatra,
Vischtaspa sowie Barsines Brüder bei ihr auf. Auch Peukestas befand sich bei
ihnen, diesmal wieder in persischer Kleidung. Die Männer wollten mit Vidarna
sprechen, der schwer bewaffnet vor Paruschjatis Gemächern Wache bezogen hatte.
Paruschjati ließ ihre Eunuchen die Möbel vor dem Eingang wegräumen und den
Riegel zur Seite schieben. Dann schlüpfte sie hinaus und hörte zu, wie die
Männer sich berieten.
„Wir müssen etwas unternehmen“, sagte Okschatra und warf
Paruschjati einen schiefen Blick zu. „Diesem Hund Meleagros ist alles
zuzutrauen. Wir müssen unsere Frauen schützen.“
Vidarna erwiderte: „Dies ist der Palast des Königs, und sie
sind Soldaten des Königs, auch wenn er tot ist. Egal, was Meleagros möchte, sie
werden den Palast nicht plündern. Nicht, solange der Leichnam ihres Königs in
seinen Mauern aufgebahrt ist.“
„Wer weiß, wozu diese Barbaren fähig sind, wenn die Nacht
kommt und der Wein ihnen ihr bisschen Verstand benebelt? Wir können nicht
zulassen, dass die Frauen in Gefahr geraten.“
„Der Schutz des Palastes und seiner Bewohner ist die Aufgabe
von Seleukos, dem Befehlshaber der Königlichen Schildträger“, schaltete sich
Vischtaspa ein. „Nichts weist bisher darauf hin, dass er seine Pflicht nicht
gewissenhaft erfüllen wird. Er hat sogar die Wachen verstärkt, wir haben sie an
den Toren und Durchlässen stehen sehen.“
„Und wenn Seleukos seine Meinung ändert?“, fauchte
Okschatra. „Was ist, wenn er seine Leute abzieht und mit ihnen zu seinen
Kameraden vor der Stadt flieht? Und wenn dann Meleagros’ Meute sich doch noch
entschließt, den Palast zu plündern? Würden Seleukos und seine Männer
tatsächlich den Kampf gegen ihre eigenen Landsleute aufnehmen, nur um ein paar
Frauen zu schützen, die in ihren Augen nur Barbarenschlampen sind? Nein, wir
müssen uns selbst um den Schutz unserer Frauen kümmern. Wir müssen die
Palastwache übernehmen.“
„Das ist keine gute Idee …“, begann Kaufan, Barsines Bruder,
doch Okschatra fiel ihm sofort ins Wort. „Willst du etwa unsere Frauen dem Mob
überlassen? Deine Schwester sitzt doch ebenfalls hier im Palast in der Falle.“
Ruhig erwiderte Kaufan: „Eben, und deshalb sage ich dir:
Wenn du persische Truppen im Palast aufmarschieren lässt, wäre das eine
Beleidigung für Seleukos. Mehr noch, die Makedonen könnten das als Affront auffassen.
So gereizt, wie sie sind, könnte sie das erst recht zu Übergriffen
provozieren.“
„Kaufan hat völlig recht“, mischte sich Paruschjati ein.
„Ihr würdet das Gegenteil von dem erreichen, was ihr beabsichtigt. Peukestas,
kannst du nicht etwas unternehmen? Rede mit Seleukos und überzeuge dich davon,
dass seine Leute ihren Posten nicht verlassen werden.“
Peukestas antwortete: „Das werde ich tun. Ich habe bei der
Phalanx noch viele Freunde, daher weiß ich, dass nicht alle dort auf Meleagros’
Seite sind. Attalos ist nicht der einzige Vernünftige. Ich werde mit ihm reden,
vielleicht würde er mit seiner Taxis eingreifen, um den Palast gegen Plünderer
zu verteidigen. Es ist immerhin der Palast seines verstorbenen Königs, und
Attalos ist ein Ehrenmann.“
Okschatra war nicht überzeugt, doch die anderen überstimmten
ihn. Paruschjati hoffte inständig, dass sie mit ihrer Einschätzung der Lage
recht behalten würde.
Später in der Nacht stieg sie wieder hinauf zum Dach. Ganz
allein stand sie oben in der Dunkelheit und blickte nach Süden auf die Stadt.
Da der Neue Palast auf seiner Terrasse erheblich höher lag als der Alte
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