Die Perserinnen - Babylon 323
albern es war, nickte sie.
Er nahm ihr das zusammengeknüllte Tuch aus dem Mund, dann
packte er sie unsanft unter den Achseln und zerrte sie hoch, bis sie halb
sitzend an der Wand hinter ihr lehnte. Ihr Mund fühlte sich immer noch an, als
sei er mit Sand gefüllt.
„Solltest du das Bedürfnis haben zu schreien, nur zu! Hier
hört dich niemand. Und selbst wenn es anders wäre, würdest du nur deine Feinde
anlocken. Aber für den Fall, dass du doch nicht schreien möchtest: Ich würde
mich zu gern mit dir über ein Geschäft unterhalten.“
Sie sah sich um. Ein fensterloses Gewölbe. Gerümpel und
Schutt von abbröckelnden Ziegeln bedeckten den Boden. An der gegenüberliegenden
Wand lag neben der flackernden Tonlampe eine Binsenmatte mit einer
zusammengelegten Decke auf dem Boden. Daneben Tongeschirr und ein paar andere
Habseligkeiten. Es sah ganz danach aus, als ob Bagauva hier schon länger
campierte.
Allmählich bekam Paruschjati wieder ein Gefühl im Mund. „Was
für ein Geschäft? Willst du mich an meine Feinde ausliefern im Tausch gegen
dein erbärmliches Leben?“
„Das würde ich mit Vergnügen“, erwiderte er gelassen.
„Vielleicht finde ich tatsächlich jemanden, dem dein erbärmliches Leben
genug wert ist, um mein unvergleichlich viel kostbareres Leben dagegen
zu tauschen. Aber ich hatte eigentlich an ein Geschäft zwischen uns beiden
gedacht.“
Zwischen ihnen beiden? Paruschjati hatte nicht die leiseste
Vorstellung, was er von ihr wollte. Wenn er nicht vorhatte, sie an ihre
Verfolger auszuliefern, warum hatte er sie nicht längst umgebracht?
Wahrscheinlich, weil er sie zuvor noch quälen wollte.
Bagauva hatte sich zu seinem provisorischen Lager
zurückgezogen und goss Wasser aus einem Krug in einen Becher. „Wie wäre es mit
etwas zu trinken?“ Er rutschte wieder zu ihr herüber und hielt ihr den Becher
vor die Nase.
Er musste verrückt geworden sein. Oder aber er wollte sie
vergiften. Andererseits: Wozu sollte er sich die Mühe machen? Und Paruschjati
hatte immer noch entsetzlichen Durst. Also streckte sie die gefesselten Hände
aus und nahm den Becher.
Als sie getrunken hatte, reichte er ihr eine Schüssel mit
etwas Brei. Die Schüssel war angeschlagen, der Löffel darin grob aus Holz
geschnitzt. Beides sah aus wie vom Müll. Auch Bagauvas Kleidung hatte schon
bessere Tage gesehen – ein frappierender Kontrast zu dem Luxus, den er gewohnt
war.
Er bemerkte ihren Blick. „Ich würde dir ja gern mehr Luxus
bieten, aber leider sind meine Mittel im Moment etwas beschränkt.“
Vorsichtig balancierte sie die Schüssel auf ihren Knien.
„Wenn du mir die Hände losmachen würdest, könnte ich besser essen.“ Und dir
besser an die Kehle springen.
„Wir wollen es nicht übertreiben.“
Ungeschickt begann sie zu löffeln. Der Geschmack war
undefinierbar, doch es kaum ihr vor, als hätte sie seit einer Ewigkeit nichts
mehr gegessen, also schluckte sie den Brei tapfer hinunter. „Du behauptest
also, einen Weg aus dem Palast zu kennen“, sagte sie mit vollem Mund. Dies war
nicht der Zeitpunkt für gute Tischmanieren.
„Richtig.“
„Wenn das stimmt, warum bist du dann noch hier?“
„Eine gute Frage. Du bist ja so schlau!“ Er starrte
gelangweilt zur Decke. „Sagen wir, ich habe im Palast noch etwas zu erledigen
und kann vorher nicht weg. Aber vielleicht wäre ich unter gewissen Umständen
bereit, dir den Weg hinaus zu zeigen.“
Die Situation wurde immer grotesker. „Was erwartest du als
Gegenleistung?“
„Tja ...“ Er grinste. „Was hättest du mir denn zu bieten?“
Sie verstand einfach nicht, worauf er hinauswollte. Was
hatte sie, was er von ihr wollen konnte? So dringend, dass er bereit war, sie
dafür gehen zu lassen? Ihr sogar aus dem Palast herauszuhelfen? Obwohl er sie
hasste? Sie kam einfach nicht dahinter.
„Nun?“, fragte er.
Ihr fiel nichts ein.
„Du hast nicht mehr eben viel, was du mir anbieten könntest,
nicht wahr?“ Er rieb sich grinsend sein bartloses Kinn. „Das dürfte wohl kein
gutes Geschäft für mich werden.“
Er macht sich über mich lustig, dachte sie. Das
sieht im ähnlich, er genießt es, mich zu quälen. Sie beschloss, bei seinem
Spielchen nicht länger mitzumachen, löffelte aber unbeirrt weiter ihren Brei.
Für den unwahrscheinlichen Fall, dass sie die Begegnung mit ihm überlebte,
brauchte sie unbedingt etwas im Magen. Doch sie würde ihm nicht auch noch die
Genugtuung geben, mit ihr zu spielen wie die Katze mit der Maus.
Bagauva
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