Die Perserinnen - Babylon 323
mir. Nikobule, ich brauche deine
Hilfe! Erinnerst du dich an das Fest, bei dem wir uns das erste Mal begegnet sind?
Die Gastgeberin kann mir vielleicht aus Babylon heraushelfen, aber ich kann ihr
Haus nicht finden. Weißt du, wo es liegt?“
„Das Haus von Apame? Natürlich. Ich war später noch öfter
bei ihr. Eine reizende Dame, überhaupt nicht eingebildet.“ Eine seltsame
Charakterisierung für Apama, dachte Paruschjati. Einen Augenblick lang
fürchtete sie, dass sie von zwei verschiedenen Frauen sprachen, doch dann fügte
Nikobule hinzu: „Die Frau von Seleukos.“
Die Mauer, die Seleukos’ Anwesen umschloss, war in
strahlendem Weiß getüncht und schien sich endlos an der Straße entlangzuziehen.
Gegenüber lag der Tempelbezirk, an den Paruschjati sich erinnert hatte.
Inzwischen war es Nachmittag, die Einheimischen hatten sich längst in den
Schutz ihrer Häuser verkrochen, sodass kaum noch jemand unterwegs war. Die
Straße wirkte wie ausgestorben.
Paruschjati und Nikobule hatten die beiden anderen in der
„Gehenden Schlange“ zurückgelassen, Mannuja, weil sie völlig erschöpft war, und
Faiduma, um auf sie achtzugeben; dann waren sie zu zweit zu Apamas Haus
gegangen. Das Schicksal hatte es ironischerweise gewollt, dass der Weg nicht
weit war.
„Wir haben eine Nachricht für die Dame Apama“, erklärte
Paruschjati, als jemand das Tor öffnete.
Der Torwächter, ein korpulenter Babylonier mittleren Alters,
ließ sie ein. Er führte sie durch den Eingangsbereich des Hauses und dann durch
einen Garten mit Palmen, Sträuchern und Blumenbeeten, bis sie zum Frauentrakt
gelangten. Das gesamte Anwesen wirkte ruhig, ja verlassen.
„Ich habe kein gutes Gefühl“, flüsterte Nikobule. „Warum ist
es hier so leer?“
Auch Paruschjati befürchtete inzwischen, dass sie geradewegs
in eine Falle liefen, doch nun war es zu spät zum Umkehren. Der Babylonier
führte sie in ein geräumiges Empfangszimmer. Kaum waren sie eingetreten, schlug
er die Tür hinter ihnen zu und legte den Riegel vor. Paruschjati und Nikobule
liefen zur Tür zurück und hämmerten dagegen, doch es war zu spät.
Von dem Raum gingen zwei weitere Türen ab. Durch die eine
gelangte man in ein Schlafzimmer und weiter in ein luxuriöses Bad, die andere
führte in einen kleinen Innenhof mit Blumenkübeln und einem Wasserbecken. Alle
Räume waren verlassen, sämtliche Ausgänge verrammelt, die Fenster vergittert,
nirgends eine Möglichkeit zu entkommen. Von Apama fehlte jede Spur.
Erschöpft ließ sich Paruschjati in dem großen Zimmer auf
eine Liege fallen.
Nikobule und setzte sich neben sie. „Man hat uns erwartet.“
„Offensichtlich, aber ich glaube nicht, dass Apama mich
verraten hat. Ich hoffe, ihr ist nichts zugestoßen.“ Vielleicht hatte Seleukos
sich von ihr getrennt wie Perdikkas von Gambija. Doch wenn er Paruschjati
erwartet hatte, bedeutete das wohl, dass er über die Verschwörung, in die seine
Frau verstrickt war, im Bilde war. Dann war Apama vielleicht tot wie Bisthan
und seine Mitstreiter.
Sobald sie ein wenig zu Atem gekommen waren, sahen die
beiden Frauen sich genauer in ihrem Gefängnis um. Die Räume waren aufwendig
möbliert, sie schienen einer an Luxus gewöhnten Dame zu gehören. In dem großen
Zimmer gab es Tische und Speiseliegen sowie ein Gestell, das von Schriftrollen
überquoll. Dies mussten Apamas Privaträume sein. Zumindest waren Paruschjati
und Nikobule hier erst einmal gut untergebracht. Wenn sie an die düsteren Gänge
und Kammern unter dem Haus dachte, wusste Paruschjati diesen Umstand besonders
zu schätzen. Wenigstens befanden sich Faiduma und Mannuja in Sicherheit.
„Was jetzt?“, fragte Nikobule schließlich.
Paruschjati zuckte die Achseln. „Wir warten. Seleukos ist in
der Besprechung mit den anderen Offizieren, in der sie die Welt unter sich
aufteilen. Es kann dauern, bis er hier auftaucht.“
„Dann solltest du dich so lange ausruhen. Du siehst völlig
erschöpft aus.“
„Nein, ich kann jetzt nicht schlafen, ich muss nachdenken.
Seleukos wird mich an Perdikkas ausliefern wollen, und dann sind wir beide tot.
Ich muss mir eine Strategie ausdenken, um ihn davon abzuhalten.“
„Du kannst besser denken, wenn du ausgeruht bist. Ich halte
so lange Wache. Vielleicht holt Faiduma Hilfe.“
Hilfe von wem? Plötzlich kam Paruschjati eine Idee.
„Dein Bruder – würde Kleitarchos dich bald vermissen und dann nach dir suchen?“
„Ich muss dir ein Geständnis machen“, begann
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