Die Perserinnen - Babylon 323
von denen
einige von Menschen überlaufen waren und andere nahezu verlassen wirkten.
Kahle, fensterlose Häuserwände, meist weiß gekalkt, schienen sich endlos
hinzuziehen
„Wir werden es nie finden“, stellte Faiduma schließlich
deprimiert fest.
Völlig erschöpft hatten sie sich in einen geräumigen
Innenhof geflüchtet, der zu einem Gasthof gehörte und von Menschen wimmelte. Es
herrschte ein ständiges Kommen und Gehen. In der Mitte gab es ein großes
Wasserbecken, das als Tränke für die Reit- und Zugtiere diente. Die drei
Flüchtlinge setzten sie auf den Beckenrand, tranken aus der hohlen Hand und
kühlten ihre erhitzten Gesichter mit Wasser.
Stundenlang waren sie nun schon durch die Stadt geirrt. Die
Sonne brannte, Staub hatte sich überall an Haut und Kleidung festgesetzt. Die
Füße taten ihnen weh, denn keine von ihnen war es gewohnt, längere Strecken zu
Fuß zurückzulegen. Paruschjati selbst war am Ende ihrer Kräfte. Die Krankheit
steckte ihr noch in den Knochen, und sie war seit dem frühen Morgen fast
ununterbrochen auf den Beinen gewesen, außer in der Zeit in Bagauvas Gewahrsam,
nachdem er sie bewusstlos gewürgt hatte. Zumindest war sie froh, dass das Ziehen
im Unterleib, das sie eine Zeit lang gespürt hatte, wieder vergangen war. Es
war wohl nur Seitenstechen gewesen. Faiduma hatte sich noch am besten gehalten.
Sie war bald wieder aufgestanden, hatte ihren Schleier ins Wasser getaucht und
betupfte damit Mannujas Gesicht. Die alte Frau stand kurz vor dem
Zusammenbrechen.
Von ihrem Platz aus konnte Paruschjati den Torbogen sehen,
der ins Innere des Gasthauses führte. Die Fassade war mit einem Relief aus
glasierten Ziegeln geschmückt. Es stellte ein Fabeltier dar, wie sie es schon
tausendmal gesehen hatte, auf dem Ischtar-Tor und anderswo. Es war das heilige
Tier des Stadtgottes Marduk, der Drache von Babylon. Mit seinem Schuppenkörper,
mit langem Schwanz und Hals und der gespaltenen Zunge, die aus dem Maul züngelte,
ähnelte das Wesen einer Schlange – nur dass es Beine hatte. Löwenbeine vorn,
die Klauen eines Raubvogels hinten. Der Drache von Babylon war eine Art
Schlange mit Beinen.
Paruschjati begriff. Suchend blickte sie sich um und deutete
auf einen der Stalljungen, die die Tiere der Gäste versorgten. „Faiduma, hol
ihn her und frag ihn, ob hier eine Griechin namens Nikobule wohnt.“
Der Gasthof „Zur Gehenden Schlange“. Das beste Haus in
Babylon, sauber, ordentlich, vernünftige Preise, hatte Nikobule gesagt.
Faiduma sprach mit dem Jungen, dann kamen sie herüber. „Er
sagt, hier wohnt eine Nikobule.“
Paruschjati nestelte an der Schnur um ihren Hals mit dem
Amulett, das Mannuja ihr gegeben hatte. Es stellte Pazuzu dar, den Dämon, der
in Babylon seltsamerweise für den Schutz von Schwangeren zuständig war. Was
immer man von ihm halten mochte, bisher hatte er seine Pflicht erfüllt. Nun
konnte er Paruschjati vielleicht einen letzten Dienst erweisen. Das Amulett war
das Einzige von Wert, was ihr geblieben war. Sie nahm es ab und ließ es vor den
Augen des Jungen baumeln. „Sag ihm, er kann es haben, wenn er Nikobule für mich
sucht und sie hierherbringt.“
Der Junge, fast noch ein Kind, strich sich grinsend die
wirren, pechschwarzen Locken aus der Stirn und erzeugte dadurch einen weiteren
Dreckschmierer in seinem ohnehin schon nicht sauberen Gesicht. Seine Augen
glitzerten, als er das Amulett berührte, dann sagte er etwas in der gutturalen
Sprache der Einheimischen und verschwand, ohne es an sich zu nehmen.
„Warum wollte er es nicht haben?“
„Keine Sorge, er sucht Nikobule für uns, aber er meinte, es
bringt Unglück, einer Schwangeren ihren Schutzzauber wegzunehmen.“
Paruschjati hängte sich das Amulett wieder um den Hals; wer
wusste, wozu Pazuzu noch gut sein würde? Sie mussten nicht lange warten, bis
eine griechisch gekleidete Frau im Torbogen erschien. Neugier, Misstrauen und
plötzliches Erkennen wechselten sich innerhalb weniger Augenblicke auf ihrem
Gesicht ab. „Königin Parysatis!“, rief Nikobule.
„Leise!“, sagte Paruschjati. „Nenne meinen Namen nicht.“
Nikobule warf einen verwunderten Blick auf Paruschjatis
schlichte und noch dazu staubbedeckte Kleidung. „Was machst du hier?“
„Ich bin in der Nacht nur knapp einem Mordanschlag
entgangen. Alle Menschen aus meinem Hofstaat sind tot oder geflohen, nur meine
Nichte und meine alte Kammerfrau sind bei mir. Ich musste aus dem Palast
fliehen, sicher suchen die Mörder noch nach
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