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Die Perserinnen - Babylon 323

Die Perserinnen - Babylon 323

Titel: Die Perserinnen - Babylon 323 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfriede Fuchs
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Nikobule.
    „Lass mich raten“, unterbrach Paruschjati. „Es gibt keinen
Kleitarchos.“
    „Doch, aber er ist nicht hier in Babylon. Er weiß gar nicht,
dass ich hier bin.“
    Also darum war Nikobules Bruder immer so unsichtbar
geblieben. Doch nach dem Bild, dass Paruschjati bisher von ihm gewonnen hatte,
hätte sie von ihm ohnehin nicht viel Hilfe erwartet, zumal er nicht einmal
gewusst hätte, wo er nach ihnen suchen sollte. Paruschjati musste sich eine
andere Lösung einfallen lassen. Ein Gedanke regte sich in ihr, doch sie war zu
erschöpft, um ihm nachzugehen. Sie schleppte sich ins Schlafzimmer, fiel auf
das Bett und schlief sofort ein.
    Das Bauwerk ragte in den strahlend blauen Himmel von
Babylon. Nicht so gewaltig wie die Ruine des alten Stufenturms, aber nicht
weniger überwältigend, mit quadratischem Grundriss und sechs Stufen, die sich
übereinandertürmten. Doch damit endete die Ähnlichkeit auch schon, denn die
Fassaden der einzelnen Stockwerke waren über und über mit Skulpturen
geschmückt. Auf dem untersten Stockwerk drängten sich die Schnäbel von
Kriegsschiffen dem Betrachter entgegen, bemannt mit Bogenschützen und
gepanzerten Kriegern. Die zweite Stufe war mit mannshohen goldenen Fackeln
dekoriert, unter denen sich Schlangen ringelten, während Adler mit
ausgebreiteten Schwingen über ihnen schwebten. Darüber erhob sich ein Fries mit
Jagdszenen, dann die Darstellung einer Zentaurenschlacht, auf die wiederum ein
Band mit schreitenden Löwen und Stieren folgte. Die oberste Stufe schließlich
war – kaum noch erkennbar – mit Waffen geschmückt. Paruschjati legte den Kopf
in den Nacken, sodass sie die Statuen auf der Plattform ganz oben sehen konnte;
sie stellten Sirenen dar.
    Der gesamte Skulpturenschmuck war vergoldet oder versilbert,
er schimmerte vor einem Hintergrund von purpurnem Filz. Das Bauwerk erstrahlte
in ungeheuerlicher Pracht und war zugleich von irritierender Fremdartigkeit.
Nicht griechisch, nicht persisch, nicht babylonisch. Alles zugleich und doch
nichts davon. Die Kosten mussten unermesslich gewesen sein, ebenso die Mühen
der Künstler und Handwerker. Und all dieser Aufwand nur, um ein Raub der
Flammen zu werden. Das Wunderwerk war ein einziger gewaltiger Scheiterhaufen.
Hephaistions Scheiterhaufen.
    „Zuerst haben wir eine Terrasse errichtet“, erläuterte
Aristobulos und schilderte Paruschjati dann, wie er und die anderen Ingenieure
einen Teil der Stadtmauer niedergerissen und die Ziegel für das Fundament
verwendet hatten.
    Die Sirenen auf der obersten Plattform waren hohl, Sänger
würden verborgen darin die Totenklage anstimmen, wenn am Abend die Totenfeier
stattfand. Der Feuerschein des brennenden Grabmahls würde die Nacht über
Babylon erleuchten. Die Gesandtschaft war endlich vom Orakel des Zeus Ammon
zurückgekehrt und hatte die Botschaft des Gottes überbracht: Hephaistion konnte
zwar nicht als Gottheit, aber immerhin als Heros verehrt werden. Bei der
Leichenfeier würden dem neuen Halbgott Tausende von Opfertieren dargebracht
werden. Die anschließenden Festspiele sollten viele Tage dauern.
    „Die Ziegelverschalung der Terrasse haben wir mit dem Schutt
von dem alten Stufenturm gefüllt, den Alexander hat forträumen lassen.
Schließlich errichteten die Architekten auf dem Fundament ein Gerüst aus
Palmstämmen.“
    „Hast du auch an dem Figurenschmuck mitgearbeitet?“, fragte
Paruschjati.
    „Nein, den künstlerischen Schnickschnack überlasse ich
anderen“, erwiderte der Ingenieur. „Während daran gearbeitet wurde, habe ich
den König auf seiner Inspektionstour durch das babylonische Kanalsystem
begleitet. Da gab es mehr als genug für mich zu tun.“
    Paruschjati riss ihren Blick von den Sirenen los und wandte
Aristobulos ihre Aufmerksamkeit zu. Dies war die lang erhoffte Gelegenheit, dem
Ingenieur die Fragen zu stellen, die ihr nicht aus dem Kopf gingen. „Dann hast
du sicher auch den Vorfall mit dem Diadem miterlebt.“
    Aristobulos machte eine wegwerfende Handbewegung. „Er ist
wie üblich übertrieben worden, du kennst das ja.“
    „Eben. Ich habe die seltsamsten Gerüchte gehört, gerade
deshalb möchte ich wissen, was wirklich geschehen ist.“
    „Nichts Weltbewegendes. Wir befuhren gerade einen toten Arm
des Euphrats, an Steuerbord lag das Grab eines längst vergessenen babylonischen
Herrschers. Ich stand mit dem König am Bug und besprach mit ihm die notwendigen
Instandsetzungsmaßnahmen, als plötzlich ein Windstoß kam und Alexander

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