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Die Perserinnen - Babylon 323

Die Perserinnen - Babylon 323

Titel: Die Perserinnen - Babylon 323 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfriede Fuchs
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Großkönig hielt Bagauva das Trinkhorn entgegen. „Trink!“
    Mit versteinerter Miene musterte der Eunuch die
Unsterblichen, er wusste, dass er verloren hatte. Er nahm das goldene Horn aus
den Händen des Großkönigs, langsam setzte er es an die Lippen und trank.
Niemand sprach ein Wort. Bagauva leerte das Horn bis zur Neige, ihm musste klar
sein, dass dies das Beste für ihn war. Die Strafen für Königsmörder waren
grauenvoll.
    Paruschjati hatte erwartet, dass Bagauva auf der Stelle tot
umfallen würde; sich in Qualen auf dem Boden wand; dass sich zumindest sein
Gesicht vor Schmerzen verzerrte. Nichts davon geschah. Bagauva übergab einfach
nur das leere Gefäß an Vidarna, dann verbeugte er sich formvollendet vor dem
Großkönig und verließ die Halle, eskortiert von den Unsterblichen. Der König
gab den Musikanten ein Zeichen weiterzuspielen.
    Da bemerkte Paruschjati, dass Sissingambri zu ihr
herübersah, nein, zu Damaspia, und dass sie lächelte. Erstaunt sah Paruschjati
zu ihrer Mutter auf. Damaspia erwiderte den Blick der Königinmutter, und auch
auf ihrem Gesicht lag ein Lächeln. Ein Lächeln voller Genugtuung.
    Zwei Tage später wurde bekannt gegeben, dass Bagauva
gestorben war. Den Gerüchten zufolge hatte er zwei Nächte und einen Tag lang
mit dem Tode gerungen. Ahura Mazda hatte Paruschjatis Gebete erhört. Damaspia
nahm sie mit zum Palasttor, wo Bagauvas entstellter Leichnam auf einen Pfahl
gespießt worden war. Das Gesicht des Verräters war verzerrt und vom Gift
schwarz angelaufen, Schaum war aus seinem Mund getreten und in der Sonne zu
einer schmutzig gelben Kruste getrocknet. Seit langer Zeit schlief Paruschjati
wieder gut.
    Nach ihrer Rückkehr in den Palast vor drei Monaten waren sie
und ihre Mutter in weniger prunkvollen Gemächern untergebracht worden. Seither
wurden sie am Hof mit spürbar weniger Ehrerbietung behandelt als zuvor, denn
die Königinmutter war nun Sissingambri, nicht mehr Damaspia. Paruschjati war,
seit sie denken konnte, die Tochter oder Schwester des Großkönigs gewesen, nun
saß ein Fremder auf dem Thron ihrer Vorfahren. Doch das störte sie nicht.
Obwohl sie noch ein Kind war, hatte sie schon gelernt, dass es Wichtigeres gab
als äußeren Prunk und unaufrichtige Ehrenbezeigungen. Sie war froh, am Leben zu
sein und keine Angst mehr haben zu müssen. Darajavahusch war ein tapferer Mann
und ein starker Großkönig. Er würde alle Feinde vernichten, wie er Bagauva
vernichtet hatte. Und Paruschjati und ihre Familie standen unter seinem Schutz.
    Unten im Hof tat sich etwas. Paruschjati bemerkte es an der
Art, wie die Priester ihre Haltung veränderten und zum Tor herüberschauten.
Trompeten schmetterten, die Königlichen Schildträger marschierten in den Hof,
mit ihren blitzenden Rüstungen, purpurnen Umhängen und den runden, wie
poliertes Silber glänzenden Schilden. Die Garde nahm Aufstellung an den vier
Seiten des Hofs.
    Ein Schwarm von Eunuchen quoll aus dem Tor genau unterhalb
von Paruschjatis Standort, mit Sonnenschirmen, Wedeln aus Straußenfedern und
anderen Utensilien, deren Sinn und Zweck sich nur jemandem erschloss, der mit
dem Hofzeremoniell vertraut war. Wieder schmetterten die Trompeten, und ein
purpurfarbener Baldachin erschien, umgeben von den sieben Königlichen
Leibwächtern und anderen hohen Würdenträgern. Trotz des ungünstigen
Blickwinkels erkannte Paruschjati Chares, den königlichen Zeremonienmeister,
sowie Demophon, den obersten Zeichendeuter. Zum Schluss folgte ein endloser
Strom von Beamten, Eunuchen und sonstigen Hofleuten.
    Paruschjati und die anderen Frauen beugten sich weit über
die Brüstung, doch der Baldachin versperrte ihnen die Sicht auf das, was sich
unter ihm befand. Inmitten seiner Trabanten bewegte er sich in gemessenem Tempo
weiter auf den Altar zu, und der Blickwinkel wurde mit jedem Schritt günstiger.
Schließlich machte der Baldachin halt. Frataguna gab ein zischendes Geräusch
von sich, als presse ihr etwas die Luft aus den Lungen. Paruschjati griff nach
dem Amulett an ihrem Hals, obwohl sie wusste, dass es in diesem Fall nicht
helfen konnte.
    Unter dem Baldachin befanden sich acht Eunuchen, die eine
Bahre trugen. Sie stellten ihre Last ab und traten zur Seite. Eine Gestalt
wurde sichtbar. Sie lag reglos unter einer Decke aus Gold und Purpur auf der
Bahre.
    Anders als Faiduma irrtümlich behauptet hatte, war
Nabukudrassara nicht der letzte einheimische König von Babylon gewesen,
zumindest aber der letzte bedeutende, bevor die

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