Die Perserinnen - Babylon 323
vom Tod eines Königs zu
träumen.“
„Ich wusste gleich, dass das alles Unsinn ist“, schimpfte
Frataguna. „Die Traumdeuterei sucht nach komplizierten Erklärungen, wo es
einfache gibt.“ Sie wandte sich an den Priester. „Meine Schwester, die Königin,
hatte vor Kurzem eine schlimme Magenverstimmung. Es liegt doch wohl auf der
Hand, dass das die Ursache für ihre Alpträume ist.“
„Es wäre möglich“, gab der Zeichendeuter zu und warf einen
interessierten Blick auf das Amulett, das um Paruschjatis Hals hing. „Die
Traumdeutung ist in der Tat eine komplizierte Kunst und führt nicht immer zu
klaren Ergebnissen. Aber wenn ihr wollt, könnte ich für die Königin ein
Horoskop erstellen. Dazu bräuchte ich den Tag und die genaue Stunde ihrer
Geburt. Träume sind häufig unklar, aber die Sterne lügen nicht.“
„Ich werde es mir überlegen und gegebenenfalls auf dein
Angebot zurückkommen“, sagte Paruschjati. „Wie war noch mal dein Name?“
„Bel-Re’Usunu. Aber die Griechen nennen mich Berossos, das
ist für Nichtbabylonier leichter auszusprechen.“
„Faiduma, gib Berossos ein Geschenk für seine Mühe.“
Faiduma, im Vollgefühl der ihr übertragenen Verantwortung,
öffnete die Truhe, in der Paruschjati Münzen und kleine Schmuckstücke für
derartige Gelegenheiten bereithielt, und suchte etwas aus, was natürlich viel
zu wertvoll für den Anlass war.
„Möglicherweise käme es ein wenig ungelegen, wenn du ohne
Einladung erscheinst“, sagte Aspamithra, eine taktvolle Art anzudeuten, dass
Paruschjatis Benehmen aus seiner Sicht wieder einmal sehr zu wünschen übrig
ließ. „Besonders, wenn die Königinmutter sich immer noch nicht wohlfühlen
sollte. Ich schicke lieber einen Eunuchen, der sich nach ihrem Befinden
erkundigt.“
„Das habe ich gestern schon getan, ohne Ergebnis.“
„Ich schicke jemanden, der erfahrener ist als dieser
nichtsnutzige Artaschura und sich nicht abwimmeln lässt.“
Doch Paruschjati beharrte auf ihrem Vorhaben, und schließlich
gab Aspamithra notgedrungen nach, allerdings nicht ohne für eine standesgemäße
Begleitung zu sorgen. So machte sich Paruschjati am späten Nachmittag, als die
Hitze wieder nachließ, auf den Weg in den östlichen Hof des Neuen Palasts, um
Sissingambri einen Besuch abzustatten.
„Die Königinmutter ist unpässlich“, erklärte ihr dort ein
näselnder Eunuch. „Bedauerlicherweise kann sie zurzeit keine Besucher
empfangen.“
„Tatsächlich?“ Paruschjati musterte den Eunuchen, von dem
sie wusste, dass er zu Statiras treu ergebenen Anhängern gehörte und sich nicht
erweichen lassen würde. Sie bemühte sich, ihre Stimme möglichst überheblich
klingen zu lassen. „Dann lass die Königinmutter wissen, dass ich hier war, um
sie zu besuchen.“
„Selbstverständlich“, erwiderte der Eunuch so von oben
herab, dass ihr sofort klar war, er würde nichts von ihrem Besuch erwähnen.
Sie machte sich schon bereit, wieder zu gehen, als sich die
Tür zu den inneren Gemächern öffnete und ein junger Mann heraustrat. Vahauka
warf Paruschjati einen überraschten Blick zu, dann blickte er rasch zur Seite,
verbeugte sich höflich und machte Anstalten, sich an ihr und ihrem Gefolge
vorbeizudrücken.
„Wie geht es deiner Großmutter?“, rief Paruschjati ihm nach.
Widerwillig blieb er stehen, wandte sich aber nur zur Hälfte
um. „Sie fühlt sich nicht wohl“, erklärte er, ohne Paruschjati anzusehen. Trotz
seines verschlossenen Gesichts war er ein gut aussehender Junge, eine jüngere,
schlankere Version seines Vaters. Er musste inzwischen ungefähr sechzehn sein und
war vor zwei Jahren in das Korps der Königspagen aufgenommen worden.
„Ich hoffe, es ist nichts Ernstes“, sagte Paruschjati. „Ich
habe die Königinmutter auf dem Abschiedsfest für Nearchos vermisst. Gestern
habe ich jemanden geschickt, der sich nach ihrem Befinden erkundigen sollte,
aber er wurde nicht vorgelassen.“
Vahauka starrte immer noch auf einen Punkt, der sich
irgendwo über Paruschjatis rechter Schulter befand. Sein Benehmen war hart an
der Grenze zur Unhöflichkeit, doch angesichts seiner diffizilen Situation war
es kein Wunder, wenn er verschlossen und abweisend war.
„Ich mache mir große Sorgen um deine Großmutter“, fügte
Paruschjati hinzu.
Sein Gesichtsausdruck wurde eine Spur zugänglicher. „Sie ist
in letzter Zeit oft müde und erschöpft, aber soviel ich weiß, ist sie nicht
ernsthaft krank.“
„Ich würde sie gern
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