Die Perserinnen - Babylon 323
König geht es nicht gut“, sagte Paruschjati.
Sie bemerkte, wie Barsine sie überrascht von der Seite
ansah. „Wie kommst du darauf?“
„Gestern hat er sich den ganzen Tag nicht in der
Öffentlichkeit gezeigt. Er konnte nicht einmal das morgendliche Opfer
vollziehen, Arridaios musste das übernehmen.“
„Das wusste ich nicht. Ich war den ganzen Tag mit meinen
Schwestern in unserem Landhaus vor der Stadt und bin vorhin erst
zurückgekommen. Ich schätze, Alexander hat es wieder einmal mit dem Trinken
übertrieben. Hat er das Opfer heute Morgen wieder selbst dargebracht?“
„Ja. Ich war dort und habe zugesehen.“
„Na also. Wo ist das Problem?“
„Er musste auf einer Bahre getragen werden.“
Barsine runzelte die Stirn, und ihr Gesicht wirkte plötzlich
besorgt, als habe sich eine Wolke vor die Sonne geschoben. „Alexander ist
normalerweise so robust wie ein babylonischer Wasserbüffel. Wenn er sich auf
einer Bahre irgendwohin tragen lässt, muss es ihm wirklich schlecht gehen.
Stratokles! Ilioneus!“ Sie winkte die beiden zu sich herüber. „Was ist mit dem
König?“
„Was soll mit ihm sein?“, fragte der etwas größere Junge
patzig. Paruschjati hielt ihn für Ilioneus, war sich aber nicht sicher. Sie
bekam die beiden nicht oft zu Gesicht, außerdem ähnelten sie einander fast wie
Zwillinge.
„Ich habe gehört, Alexander musste heute beim Morgenopfer
auf einer Bahre getragen werden, und gestern hat er sich den ganzen Tag nicht
blicken lassen. Also, was ist los?“
„Ach das.“ Ilioneus grinste anzüglich. „Gestern Abend und in
der Nacht davor hat der König gefeiert und es dabei wieder einmal ordentlich
krachen lassen, wenn du verstehst, was ich meine. Wir natürlich auch, wir haben
…“
„Das kann nicht alles sein“, schnitt ihm Barsine das Wort
ab, ehe er mit seinen trinkerischen Großtaten prahlen konnte. Sie warf dem
anderen Jungen, vermutlich Stratokles, einen strengen Blick zu. „Raus mit der
Sprache! Was steckt dahinter?“
„Alexander hat ein bisschen Fieber, es ist aber nichts
Ernstes“, gab Stratokles zu.
„Was ist mit dem Aufbruch der Flotte und der Armee? Bleibt
es bei den ursprünglichen Terminen?“
„Natürlich“, sagte der Junge verblüfft. „Die Armee bricht in
vier Tagen auf, die Flotte in fünf.“
Barsine wedelte mit der Hand, als verscheuche sie einen
Schwarm Mücken, und die beiden Jungen verzogen sich eilig. „Nur ein bisschen
Fieber. Du brauchst dir also keine Sorgen zu machen.“
„Nein“, sagte Paruschjati. „Ich mache mir keine Sorgen.“
„Wenn der König ernsthaft krank wäre, würde man die Termine
verschieben.“
Beide schwiegen, und plötzlich empfand Paruschjati eine fast
unnatürliche Stille. Nur wie aus weiter Ferne drangen die ausgelassenen Stimmen
der Jungen zu ihnen, das Plätschern des Wassers in der Nähe und das Rauschen
der Bäume.
„Ich weiß, was du denkst“, sagte Barsine schließlich. „Es
wird nicht wieder geschehen. Glaub mir.“
Der junge Babylonier war beängstigend mager. Nase und Mund,
die Augen sowie seine ausgeprägten Segelohren wirkten viel zu groß im
Verhältnis zum Rest seines Gesichts. Er war unter den babylonischen Priestern
gewesen, die auf dem Zentralhof gewartet hatten, offensichtlich der jüngste von
ihnen, und Paruschjati hatte sich gefragt, wie Mannuja ausgerechnet auf ihn
verfallen war.
„Er spricht Persisch, du kannst mit ihm ohne Dolmetscher
reden“, hatte Mannuja als Begründung angegeben.
Wie sich herausstellte, konnte der junge Chaldäer besser
Griechisch als Persisch. Er hatte mit ernstem Gesicht zugehört, als Paruschjati
ihm von ihren Träumen berichtete. Je mehr sie erzählte, umso mehr zogen sich
seine dichten, dunklen Brauen zusammen. Als sie fertig war, starrte er vor sich
hin und rieb seine spitze Nase. „Träume sind eine besonders rätselhafte Art von
Vorzeichen“, erklärte er schließlich. „Sie steigen aus den Tiefen der
Finsternis empor und sind oft wirr und mehrdeutig.“
„Genau deshalb hat die Königin dich kommen lassen“, sagte
Mannuja ungeduldig.
Der junge Priester wurde rot und murmelte, er brauche seine
Traumbücher und die Aufzeichnungen aus dem Tempel, um die Träume der Königin
einer genauen Analyse unterziehen zu können.
„Aber irgendetwas wirst du doch auch so dazu sagen können“,
beharrte Mannuja. „Also? Was bedeuten die Träume?“
Der Zeichendeuter druckste eine Zeitlang herum, ehe er
schließlich hervorbrachte: „Es bedeutet Unheil,
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