Die Perserinnen - Babylon 323
schon so eine Art Sprichwort – ‚betrunken wie König
Alexander‘.“
„Böswillige Verleumdungen!“, zeterte Eumenes. „Haltlose
Verdrehungen der Wahrheit! Du solltest aufpassen, was du sagst! Wenn du weiter
solche unverschämten Lügen über Alexander verbreitest, wirst du das bereuen!
Und wenn du nicht sofort aufhörst, die Damen hier mit deinem Gewäsch zu
belästigen, lasse ich dich wirklich in den Euphrat werfen! Egal, wie mitfühlend
die Damen sind!“
Klugerweise hüllte sich Ephippos für den Rest der Fahrt in
Schweigen, und da auch sonst niemand mehr viel sprach, wirkte die Stimmung auf
dem Boot ein wenig gedrückt. Sie ließen das eigentliche Stadtgebiet schnell
hinter sich und fuhren dann durch die dünner besiedelte Vorstadt. Als sie den
Sommerpalast erreicht und am Kai angelegt hatten, verabschiedete sich Ephippos
kurz angebunden.
„Ich lasse das Boot hier warten, damit es euch später in den
Neuen Palast zurückbringen kann“, sagte Eumenes, während seine Assistenten das
Schiff entladen ließen. „Ihr solltet euch aber beeilen, ehe Ephippos wieder
auftaucht und womöglich noch einmal mitgenommen werden möchte.“
Barsine hielt ihren Schwager am Arm fest. „Sag mir die Wahrheit:
Was ist an dem Abend bei Medios wirklich vorgefallen?“
„Nichts von Bedeutung. Alexander hat tatsächlich ein
bisschen zu viel getrunken, aber das muss man diesem Schreiberling ja nicht auf
die Nase binden. Alles andere sind böswillige Entstellungen. Ephippos ist ein
sensationslüsterner Schmierfink, der vor keiner Verdächtigung zurückschreckt,
um sich interessant zu machen. Ein ‚Mann des Geistes‘ – dass ich nicht lache!
Irgendwann wird ihn wirklich einmal jemand in den Fluss werfen. Schade, dass es
im Euphrat keine Krokodile gibt wie im Nil.“
Sie ließen Eumenes und seine Leute am Anlegeplatz zurück und
stiegen die Stufen zu der Terrasse hinauf, auf der der Palast stand. Die Treppe
war hoch und steil, sodass sie verschwitzt und außer Atem waren, als sie oben
ankamen und die Toranlage passierten, die von zwei geflügelten Bronzestieren
bewacht wurde. Im Hof dahinter herrschte eine fast gespenstische Ruhe – keine
Spur von den Menschenmassen, die normalerweise in der Umgebung des Königs
umherwimmelten. Nur eine Handvoll Offiziere, Hofleute und Palastbedienstete
waren mit ernsten Gesichtern unterwegs und verfolgten die Besucher mit
neugierigen Blicken.
Zielstrebig gingen Barsine und Paruschjati mit ihrem Gefolge
quer über den Hof zum Eingang der Vorhalle. Drinnen standen Offiziere und
Eunuchen in Gruppen beisammen, der hohe Raum hallte wider vom gedämpften
Gemurmel ihrer Stimmen.
Vor der verschlossenen Flügeltür, die zu den Privaträumen
des Königs führte, hatte Perdikkas Stellung bezogen, offenbar war er der diensthabende
Leibwächter an diesem Tag. Die Königlichen Leibwächter – es gab insgesamt
sieben – waren nicht nur für den Schutz des Königs zuständig, sie regelten
auch, wie Perdikkas gerade, den Zugang zu ihm. Zugleich standen sie an der
Spitze der makedonischen Militärhierarchie und übernahmen alle militärischen,
diplomatischen und administrativen Aufgaben, die der König nicht selbst zu
erledigen geruhte. Jetzt gerade war Perdikkas damit beschäftigt, eine Gruppe
von Männern abzuwimmeln, die Paruschjati auf den ersten Blick für griechische
Gesandte hielt. Ihre voluminösen, faltenreichen Gewänder waren weiß wie Schnee.
„Wir warten bereits seit Tagen auf eine Audienz“, erklärte
einer der Männer. Offenbar doch kein Grieche, dazu war sein Akzent zu hart und
sein Gesicht zu sauertöpfisch. „Der Schwager des Königs war ein Freund und
Verbündeter meines Volkes …“
„Der Schwager des Königs ist tot“, stellte Perdikkas
nüchtern fest.
Alexander von Epeiros, erinnerte sich Paruschjati, war mit
der Schwester des Königs verheiratet gewesen. Er war auf einem Feldzug in einem
Land weit im Westen umgekommen. Vermutlich kamen auch die Gesandten von dort.
„Wir erwarten den uns gebührenden Respekt. Wir sind es nicht
gewohnt, auf diese Weise brüskiert zu werden, und ich verlange …“
Perdikkas’ Blick erfasste die beiden Frauen, die sich samt
Gefolge näherten. Auch seine Kontrahenten wandten sich um, und alle starrten
Barsine und Paruschjati an, als hätten sie in ihrem ganzen Leben noch keine
Frau gesehen.
„Was jetzt?“, zischte Paruschjati Barsine zu, ohne die
Lippen zu bewegen.
„Lass mich das machen“, zischte Barsine zurück und ging
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