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Die Perserinnen - Babylon 323

Die Perserinnen - Babylon 323

Titel: Die Perserinnen - Babylon 323 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfriede Fuchs
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zurückkehren, dank der Gnade des Großkönigs, unseres Vaters.
Wenigstens erhielt er seinen Posten als Kschatrapavan nicht zurück, sonst hätte
er uns alle längst an die Jauna verraten. Was kann man schon von einem Mann
erwarten, der sich mit Barbaren einlässt und sogar eine ihrer Frauen heiratet?
Die ganze Familie ist schrecklich!“
    Gegen Ende des Sommers, sobald die schlimmste Hitze vorüber
war, marschierte das Heer in Babiru los, nach Norden, dem Feind entgegen. Der
Hofstaat folgte in einigem Abstand. Eine endlose Wagenkolonne bewegte sich
durch das flache Land am Ufratu, Dienerinnen und Eunuchen ritten neben ihr her
wie ein Schwarm von Bienen, die um einen Bienenstock schwirren. An der Spitze
fuhren die Wagen der königlichen Familie, dann folgten die Nebenfrauen des Königs
und zum Schluss die Familien der Kschatrapavan und anderen hohen Würdenträger.
    Morgens, solange es noch einigermaßen kühl war, ließ
Damaspia die Vorhänge zurückschlagen, um frische Luft ins Wageninnere zu
lassen. Paruschjati beugte sich hinaus und ließ den Blick über die weite Ebene
schweifen, bis zum Horizont, der in der flirrenden Luft zu verschwimmen schien.
Felder reihten sich an Felder, unterbrochen von Kanälen, alten Flussläufen und
Palmenhainen. Hin und wieder zog ein Ochsengespann seine Bahn oder trieb ein
Bauer einen schwer beladenen Esel vor sich her.
    Später, wenn die Luft stickig wurde, ließen die Frauen die
Vorhänge wieder herab und vertrieben sich die Zeit durch Unterhaltungen, Spiele
und Lieder, bis sie im Lauf des Tages immer stiller wurden. Obwohl der Herbst
vor der Tür stand, wurde es tagsüber immer noch sehr heiß. Die Hitze war
schlimm, doch die Eintönigkeit und die Langeweile waren schlimmer. Paruschjati
ließ sich in die Kissen sinken, schloss die Augen und ließ sich vom
gleichmäßigen Gerüttel des Wagens in einen oberflächlichen Schlaf wiegen. Am
Abend, wenn die Zelte aufgestellt worden waren, erwachte sie wie die anderen
wieder zum Leben und versuchte, wach zu bleiben, solange sie konnte. Denn der
nächste Tag würde ebenso heiß und eintönig werden wie der vergangene.
    Allmählich veränderte sich die Landschaft, wurde weniger
eben, aber auch brauner, steiniger, staubiger. Während ihrer Reise waren sie
dem Lauf des Ufratu gefolgt, oft hatten sie seine Wasser zu ihrer Linken
schimmern gesehen. Eines Abends, als das Lager aufgeschlagen worden war, hieß
es, dass das Heer den Fluss am nächsten Tag überschreiten würde.
    Noch vor Sonnenaufgang ließ Damaspia ihre Pferde bringen und
ritt zusammen mit Paruschjati, Frataguna und Parmusch hinunter zum Fluss. Als
sie zum Ufer kamen, ging gerade die Sonne auf. Paruschjati hielt den Atem an.
    Eine Kette von Schiffen spannte sich über die schimmernde
Fläche des Ufratu – kleine und große, Fischerboote und Lastkähne und von Rudern
starrende Kriegsschiffe. Breitseite an Breitseite, sorgfältig miteinander
vertäut, reihten sie sich aneinander bis hinüber zum anderen Ufer. Planken, die
über die Decks gelegt waren, bildeten eine Art Straße über den Fluss, die bis
hinauf zum Ufer reichte. Paruschjati schloss die Augen, aus Furcht, das fragile
Gebilde könne jeden Augenblick von den sich träge dahinwälzenden Wassermassen
fortgerissen werden. Doch als sie sie wieder öffnete, war die Brücke noch da.
Die hölzerne Straße schien schwerelos über den Fluten zu schweben, sie spannte
sich elegant über die Breite des Stroms.
    Die Frauen ritten hinunter zum sandigen Ufer, um das
Wunderwerk genauer in Augenschein zu nehmen. Aus der Nähe wirkte es noch
zerbrechlicher. Die Planken hoben und senkten sich mit leisem Knarren, und das
Wasser rauschte bedrohlich unter ihnen hindurch. Männer in der fremdartigen
Kleidung der Jauna liefen darauf umher, überprüften Taue und Planken und riefen
einander unverständliche Anweisungen zu.
    Inzwischen waren noch mehr Frauen mit ihrem Gefolge
eingetroffen. Auch Barschina war mit ihrer Familie gekommen. Als Paruschjati
sie bemerkte, ritt sie zu ihr hinüber, um sie zu begrüßen. „Was machen die
Jauna auf der Brücke?“, fragte sie.
    „Sie haben sie gebaut“, antwortete Barschina. „Die Jauna
sind hervorragende Ingenieure und Architekten. Kommt mit, ich möchte dir
jemanden vorstellen.“
    Sie ritten die Böschung hinab zum Fluss. Am Ufer stiegen sie
ab. Barschina rief einem der Jauna auf der Brücke etwas zu. Der Mann blickte
auf, antwortete und eilte leichtfüßig über die Planken herüber zum Ufer.

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