Die Perserinnen - Babylon 323
Faiduma. Flottenkommandant Nearchos.“
Bagauva war ein Eunuch aus der unmittelbaren Umgebung des
Königs, und wie immer, wenn Paruschjati ihn sah, lief ihr unwillkürlich ein
Frösteln über den Rücken. Dabei besaß er rein äußerlich keinerlei Ähnlichkeit
mit seinem Namensvetter, dem Hazarapatisch, dessen Bosheit ihre Kindheit
überschattet hatte. Dieser Bagauva hingegen war nicht nur sehr jung, sondern
auch von einer fast überirdischen Schönheit, eine faszinierende Mischung aus
Junge und Mädchen.
„Der König hat erfahren, dass die Damen gekommen sind, um
ihn zu besuchen“, fuhr Bagauva fort. „Er dankt euch für euer Kommen, wird aber
bedauerlicherweise heute keine Zeit mehr finden, euch zu empfangen. Er bittet
euch daher, in den Neuen Palast zurückzukehren.“
„Geht es ihm gut?“, fragte Paruschjati.
„Der König lässt ausrichten, dass kein Grund zur Sorge
besteht.“
Als Bagauva Paruschjati mit seinen großen, dunklen Augen
fixierte, wurde ihre Beklemmung stärker. Hinter ihrer vordergründigen
Geschmeidigkeit war seine Stimme kalt wie eine Klinge aus Eis. Er verbeugte
sich nochmals, dann drehte er sich um und ging. Paruschjati atmete auf.
Barsine machte Anstalten aufzustehen. „Wir wollen dich nicht
länger aufhalten, Nearchos. Danke, dass du uns deine Zeit geopfert hast. Es war
wie immer sehr interessant, dir zuzuhören.“
„Was hast du eigentlich auf der Insel entdeckt?“, fragte
Faiduma, als sie und Paruschjati sich ebenfalls erhoben.
„Nichts Ungewöhnliches“, antwortete Nearchos. „Ich glaube,
es war eine ganz normale Insel.“
„Und die vermissten Fischer?“
„Wir haben nie erfahren, was aus ihnen geworden ist.“
Auf der Rückfahrt war Paruschjati sehr einsilbig. Nachdem
Barsine eine Zeitlang vergeblich versucht hatte, Konversation zu machen, sagte
sie schließlich: „Lass dir von dem vermaledeiten Eunuchen nicht die Stimmung
verderben.“
„Nein“, sagte Paruschjati mechanisch.
„Wir haben es nicht bis zum König geschafft, aber wir
wissen, dass es ihm wieder besser geht. Das ist die Hauptsache.“
„Ja, das ist die Hauptsache.“ Paruschjati rang sich ein
Lächeln ab, doch sie merkte selbst, wie verkrampft es wirken musste.
Verwirrt fragte Faiduma: „Was ist denn mit dem Eunuchen? Mir
kam er ganz freundlich vor.“
„Er heißt Bagauva“, klärte Barsine sie auf.
Faiduma zuckte zusammen. „Wie das Ungeheuer?“
„Ja, wie das Ungeheuer, das fast eure ganze Familie
ausgelöscht hat.“
„Immer wenn ich ihm begegne, läuft es mir kalt den Rücken
hinunter“, sagte Paruschjati zu Barsine. „Aber es ist nicht nur wegen seines
Namens. Bagauva hasst uns. Dich, mich, uns alle. Ich erkenne es an der Art, wie
er uns ansieht.“
Barsine zuckte die Achseln. „Er träumt davon, der engste
Vertraute des Königs zu sein und dadurch reich und mächtig zu werden. Deshalb
hasst er jeden, der Alexander nahesteht, besonders natürlich seine Frauen. Aber
er ist nur ein armseliger kleiner Möchtegernintrigant.“
„Du unterschätzt ihn. Der Eunuch ist gefährlich. Da war zum
Beispiel die Sache mit dem Kschatrapavan.“
„Orschin hatte sein Schicksal verdient, egal, was Bagauva
damit zu tun hatte.“
„Was war denn mit diesem Orschin?“, fragte Faiduma.
„Er war Kschatrapavan von Parsa“, erklärte Paruschjati ihr.
„Oder genauer gesagt, er maßte sich das Amt eigenmächtig an. Denn während der
König weit weg in Indien war, starb der von ihm eingesetzte Kschatrapavan an
einer Krankheit. Als Alexander endlich zurückkehrte, hoffte Orschin, im Amt
bestätigt zu werden. Er kam daher zum König und verteilte großzügig Geschenke
an alle, die er für einflussreich hielt. Nur nicht an Bagauva. Er sagte, er
habe keine Geschenke für männliche Huren. Darauf beschuldigte Bagauva ihn, das
Grab des Großkönigs Kurusch in Pasargadai geplündert zu haben. Der König ließ
Orschin dafür hinrichten.“
Barsine ergänzte: „Er war damals nicht der Einzige, der
hingerichtet wurde. Nach seiner Rückkehr musste Alexander feststellen, dass
viele der von ihm eingesetzten Kschatrapavan sich als korrupt erwiesen hatten.
Orschin war einer der schlimmsten. Er hatte seine Macht missbraucht, um zu
rauben und zu plündern, und viele Einwohner von Parsa erhoben beim König Klage
gegen ihn.“
„Ja, aber was das Kurusch-Grab betrifft, war er womöglich
unschuldig“, wandte Paruschjati ein. „Ich habe darüber mit Aristobulos
gesprochen.“ Aristobulos war der Ingenieur,
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