Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Perserinnen - Babylon 323

Die Perserinnen - Babylon 323

Titel: Die Perserinnen - Babylon 323 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfriede Fuchs
Vom Netzwerk:
ihr schrilles Kreischen erfüllte
die Luft, die trotz der frischen Brise, die vom Meer her wehte, immer noch
brenzlig roch. Im Sturzflug fegten sie über das verbrannte Land und landeten
zielsicher auf den hellen Linien, die darauf geheimnisvolle geometrische Muster
bildeten. Als Paruschjati sich näherte, flogen die Vögel mit lautem Geschrei
auf.
    Nachdem Alexander in Memphis zum Pharao gekrönt worden war,
war er nach Norden ins Nildelta aufgebrochen, nicht mit seiner ganzen Armee,
sondern mit einer für seine Verhältnisse kleinen Entourage. So waren auch die
gefangenen Frauen in Memphis zurückgeblieben, nur Barsine wollte den König
begleiten. Paruschjati hatte so lange gebettelt, bis sie ebenfalls mitkommen
durfte. Sie waren einem der Nilarme bis zur Küste gefolgt, wo eine Insel vor
einem schmalen Landstreifen lag, der das Meer von einem sumpfigen, mit Papyrus
bestandenen Binnensee trennte. Ausgerechnet hier gedachte der König seine neue
Stadt zu bauen, angeblich hatte ein Traum ihm das eingegeben. Die Stadt würde
natürlich Alexandreia heißen, nach ihm selbst.
    Das Terrain war abgebrannt und eingeebnet worden, damit die
Landvermesser darauf mit Kreide die Grundrisse der neuen Stadt festlegen
konnten. Ein großer Teil der Arbeit war bereits getan, nur das Areal ganz im
Westen musste noch markiert werden. In einiger Entfernung stand der König mit
seinem Gefolge und sah den Vermessern zu. Barsine war auch dabei, Paruschjati
erkannte sie an ihrem weißen Sonnenschirm.
    Etwas am Verhalten der Vögel kam Paruschjati seltsam vor.
Die weißen Linien auf dem vom Feuer geschwärzten Untergrund schienen sich zu
bewegen, so viele Tiere drängten sich auf ihnen. Geschäftig stolzierten sie auf
und ab, wippten mit den Schwänzen und pickten auf den Boden ein. Paruschjati rannte
los; Schwärme protestierender Vögel stiegen auf, und dort wo, sie zuvor
gesessen hatten, waren die Linien kaum noch zu erkennen.
    „Warum jagst du die Vögel fort?“, fragte eine Stimme auf
Griechisch. „Hast du etwas gegen sie?“
    Sie hatte den Mann nicht bemerkt, er musste vom Gefolge des
Königs herübergekommen sein, doch sie erkannte ihn sofort. Hephaistion.
    Immer wenn Alexander Sissingambri besuchte, war Hephaistion
an seiner Seite, ebenso wie bei allen anderen Gelegenheiten, bei denen
Paruschjati den König bisher zu Gesicht bekommen hatte. Die beiden Männer
schienen unzertrennlich zu sein. Wahrscheinlich war das der Grund, warum der
König gesagt hatte, auch sein Freund sei Alexander. Bisher hatte Paruschjati
allerdings noch nie mit Hephaistion gesprochen.
    „Die Vögel zerstören die Linien“, antwortete sie ihm,
ebenfalls auf Griechisch. „Warum tun sie das?“
    Hephaistion grinste. „Den Landvermessern ist die Kreide
ausgegangen, da haben sie stattdessen Getreideschrot genommen. Zur Freude der
Vögel natürlich. Es kommt bestimmt nicht oft vor, dass ihnen ihr Futter direkt
vor die Schnäbel gestreut wird.“
    „Hätte man sich nicht denken können, dass die Vögel sich
darauf stürzen?“
    „Sollte man annehmen.“
    Nun, als sie Hephaistion aus der Nähe sah, wurde ihr
plötzlich klar, warum sie so oft an ihn denken musste: Nicht etwa, weil sie in
ihn verliebt gewesen wäre, wie Barsine irrigerweise annahm, sondern weil er sie
an Vidarna erinnerte. An Vidarna, wie er in jener Nacht in der Tür gestanden
und gelächelt und sie alle gerettet hatte. Hephaistion sah genauso gut aus wie
er, nein, sogar noch besser, sein Gesicht war so vollkommen wie das eines der
Götterbilder, die die Großkönige einst von den Griechen erbeutet und in ihren
Palästen aufgestellt hatten. Seine Augen waren von einem intensiven Blau, und
seine Zähne blitzten im Sonnenlicht weiß wie Schnee. Kein Wunder, dass sie ihn
für den König gehalten hatte, und nicht nur sie, sondern sogar Sissingambri.
    „Darf ich dich etwas fragen?“ Und als er nickte: „Warum war
König Alaksanda … Alexander nicht böse, als die Königinmutter dich mit ihm
verwechselt hat?“
    „Warum hätte er böse sein sollen?“
    „Weil … nun, es sah doch so aus, als ob die Königinmutter …
dass sie dachte, du siehst mehr wie ein König aus als Alexander. Warum hat er
das nicht als Beleidigung aufgefasst? Der Großkönig würde jeden streng
bestrafen, der ihn so beleidigt.“
    „Dann hat der Großkönig das vielleicht nötig, Alexander aber
nicht. Er weiß, dass seine Würde nicht davon abhängt, wie groß er ist oder wie
er aussiehst oder wie tief die Menschen sich

Weitere Kostenlose Bücher