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Die Perserinnen - Babylon 323

Die Perserinnen - Babylon 323

Titel: Die Perserinnen - Babylon 323 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfriede Fuchs
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vor ihm verneigen.“
    Paruschjati zeigte auf das Linienmuster, das von den
Vogelschwärmen verwüstet worden war. „Darüber wird König Alexander sich auf
jeden Fall ärgern.“
    „Das fürchte ich auch.“ Hephaistions Stimme hatte einen amüsierten
Unterton angenommen.
    Inzwischen hatte auch die Menschenmenge rund um den König
bemerkt, was vor sich ging. Aufgeregt deuteten die einen auf die Vögel, andere
liefen hektisch umher, um sie zu verscheuchen. Vergeblich, die Übeltäter
kehrten immer sofort zurück. Nur dorthin nicht, wo ohnehin nichts mehr zu holen
war. An vielen Stellen war das Linienmuster praktisch verschwunden.
    „Ist das nicht ein schlechtes Omen?“, fragte Paruschjati.
„Noch ehe die neue Stadt überhaupt gebaut ist, wird sie schon zerstört.“
    Hephaistion zuckte die Schultern. „Ich bin sicher, den
Zeichendeutern fällt etwas Passendes ein, wie immer. Aber davon abgesehen: Man
muss kein Seher sein, um zu wissen, dass diese Stadt eine große Zukunft vor
sich hat.“
    „Warum bist du da so sicher?“
    „Ich kann es spüren. Du nicht?“ Er beugte sich ein wenig zu
ihr herab und legte ganz leicht die Hand auf ihre Schulter. „Mach die Augen zu
und stell dir die neue Stadt vor: breite Straßen, die von einem Ende zum
anderen führen. Andere, die sie rechtwinklig kreuzen, und immer mehr Straßen,
bis du ein gleichmäßiges Muster von Rechtecken vor dir hast.“
    Paruschjati gehorchte, schloss die Augen, während die Vögel
im Hintergrund kreischten, und versuchte, nicht an die kahle Einöde zu denken,
die in Wirklichkeit vor ihr lag.
    „Siehst du die Tempel und öffentlichen Gebäude, die
Gymnasien, Marktplätze, Theater? Den Hafen, in dem Hunderte von Schiffen vor
Anker liegen? Und dann die Häuser, ein Meer von Häusern, und in jedem wohnen
Menschen, die aus allen Weltgegenden hierhergekommen sind!“
    Und plötzlich glaubte Paruschjati, das alles wirklich vor
Augen zu haben. Das Geschrei der Vögel verwandelte sich in die Stimmen von
Menschen, die durch die Straßen drängten und ihren Geschäften nachgingen,
Tempel besuchten, Marktplätze betraten …
    „Heute gibt es hier nur ein paar Kritzeleien im Schlamm“,
sagte Hephaistion. „Aber eines Tages wird hier eine große und bedeutende Stadt
stehen. In ihr werden einmal viele Menschen eine neue Heimat finden.“
    Am Abend berichtete Barsine, wie die Zeichendeuter des
Königs das Omen gedeutet hatten: So wie die Vogelschwärme, die aus allen
Himmelrichtungen gekommen waren, so würde Alexandreia auch Scharen von Menschen
anziehen und ihnen ein gutes Auskommen bieten.

Babylon, 24. Daisios
    Der Mensch gewöhnt sich an alles, sogar an die Übelkeit.
Auch an diesem Morgen musste sich Paruschjati wieder übergeben, und obwohl die
Prozedur nicht angenehmer war als zuvor, brachte sie sie inzwischen mit einer
gewissen Routiniertheit hinter sich. Ihre Gedanken waren ganz woanders, während
sie sich über die Schüssel beugte. Danach lehnte sie sich in den Kissen zurück
und dachte nach.
    Der Unbekannte, mit dem sie in der Nacht gesprochen hatte,
musste ein makedonischer Offizier sein, das hatte er selbst durchblicken lassen.
Zwar hatte er keinen besonders gebildeten Eindruck hinterlassen, doch das war
bei den mittleren Rängen in der Armee häufig so, besonders bei der Phalanx, dem
makedonischen Fußvolk, das sich aus einfachen Bauernsöhnen rekrutierte. Wäre
der Mann wirklich so unbedeutend gewesen, wie er behauptet hatte, hätte ihn der
König sicherlich nicht eingeladen, mit ihm bei Medios weiterzufeiern. Das gab
Paruschjati zu denken. Sie hatte den Unbekannten anfangs für einen Wichtigtuer
gehalten, der sich aufspielte, um Aufmerksamkeit zu erregen und vielleicht eine
Belohnung zu kassieren. Wenn aber auch nur die leiseste Möglichkeit bestand,
dass er die Wahrheit gesagt hatte, dann musste sie etwas unternehmen.
    Doch was? Wenn die engste Umgebung des Königs tatsächlich in
die Verschwörung verstrickt war, dann konnte Paruschjati niemandem vertrauen.
Sie musste den König selbst warnen, nur so konnte sie das hinterhältige
Komplott vereiteln und sein Leben retten. Doch wie sollte ihr das gelingen,
wenn sie nicht bis zu ihm vorgelassen wurde? Sie musste einen Weg finden.
    Während sie sich noch den Kopf darüber zerbrach, stürmte
Farnakia herein. „Es gibt gute Neuigkeiten“, rief er und rieb sich
freudestrahlend die Hände. „Heute im Laufe des Tages wird der König aus dem
Sommerpalast zurückkehren. Die Offiziere haben neue

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