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Die Perserinnen - Babylon 323

Die Perserinnen - Babylon 323

Titel: Die Perserinnen - Babylon 323 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfriede Fuchs
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ist.“ Es war einfach geschehen, wie das Verlöschen
einer Lampe, deren Öl verbraucht ist.
    „Sie ist gestorben vor Kummer und Sorgen und vor
Erschöpfung. Alaksanda ist schuld an ihrem Tod.“ Vahaukas geschwollene
Oberlippe zuckte bei dem vergeblichen Versuch, seine Gefühle unter Kontrolle zu
bringen, sei es nun Zorn oder schlicht der Wunsch, wieder zu weinen. „Eines
Tages werde ich dafür Rache nehmen, wenn mein Vater es nicht tut.“
    Einige Tage später überschritten sie den Tigra an einer
Furt. Die Strömung war so stark, dass sie von den Fluten beinahe davongespült
wurden. Das Wasser reichte sogar den Pferden bis zum Hals. Jetzt könnte man
die Eindringlinge ganz leicht vernichten, dachte Paruschjati, als sie
durchnässt am sandigen Ufer des Flusses kauerte und verfolgte, wie die Menschen
im Strom Ketten bildeten und sich durch die reißende Strömung kämpften.
    In dieser Nacht verdunkelte sich der Mond, seit jeher ein
Zeichen, das Unheil ankündigte. Paruschjatis Angst verminderte sich nicht
einmal dadurch, dass auch die feindlichen Soldaten, von denen sie umgeben war,
das Vorzeichen fürchteten. Schrecken verbreitete sich im Lager wie der Rauch
der Feuer. Der König und seine Seher hatten Mühe, die Ruhe aufrechtzuerhalten
und die Soldaten dazu zu bringen, weiter ins Innere des Landes vorzudringen,
einem übermächtigen Feind entgegen.
    Je weiter sie vorrückten, umso mehr wuchs die Hoffnung im
Lager der Gefangenen. Nur wenige Tage nach der Mondfinsternis trafen sie auf
die Streitmacht des Großkönigs, bei einem unwichtigen Dorf namens Gaugamela,
was in der Sprache der Einheimischen „Haus des Kamels“ bedeutete. Kaum jemand
fand Schlaf in dieser Nacht, in der ein fahles Leuchten über dem östlichen Horizont
stand. Einige behaupteten, es sei der Widerschein von den Feuern, an denen das
Heer des Großkönigs lagerte. Ihre Zahl sei so gewaltig, dass sie die Nacht zum
Tag machten. Das könne nicht sein, meinten andere, dazu seien sie zu weit
entfernt. Was es auch war, der Anblick wühlte die Herzen der Menschen auf,
füllte die einen mit froher Erwartung, die meisten jedoch mit Sorge und
Beklommenheit. Flüsternde Stimmen schienen wie auf Flügeln durch die Nacht zu
schwirren. Die Furcht von zweihunderttausend Menschen lastete über der Ebene.
    Am nächsten Morgen riefen das Dröhnen der Trommeln und das
Geschmetter der Trompeten die Heerscharen zum Kampf, der über das Schicksal der
Welt entscheiden würde. Nach und nach, ohne dass jemand sie dazu aufgefordert
hatte, versammelten sich die gefangenen Frauen im Empfangszelt der
Königinmutter. Sie scharten sich um sie, die Arme um ihre Kinder gelegt, und
warteten schweigend. Wenn der Wind richtig stand, konnten sie ganz schwach
Waffengeklirr hören, das Donnern von Pferdehufen und das strukturlose Brausen
hunderttausender menschlicher Stimmen. Die Zeit schien stillzustehen.
    Dann, plötzlich, wurden die Geräusche lauter, kamen näher.
Reiter sprengten ins Lager, scharfe Rufe erschollen draußen vor dem Zelt. Die
Nerven aller waren zum Zerreißen gespannt. Paruschjatis Herz pochte so heftig,
dass sie glaubte, ihre Brust müsse jeden Augenblick auseinanderbersten, wie ein
Tonkrug, den man zu dicht ans Feuer gestellt hatte. Zwei oder drei Bewaffnete
stürmten ins Zelt, die Brustpanzer und Helme blutbespritzt. Die Panzer und
Helme von Parsa-Reitern. Die Männer traten vor den Sessel der Königinmutter und
verneigten sich.
    „Banuka, der Großkönig hat gesiegt! Der Feind ist auf der
Flucht.“
    Stöhnen löste sich aus den Kehlen der Frauen, einige
begannen vor Erleichterung zu weinen, andere küssten ihre Kinder oder schickten
Dankgebete zu Ahura Mazda.
    „Wir unterstehen Mazdais Befehl und haben den Auftrag, euch
zu befreien. Macht euch bereit zur Flucht.“
    Die Frauen sprangen von ihren Plätzen auf und wandten sich
zum Ausgang. Auch Paruschjati war aufgesprungen, doch ihre Mutter hielt sie
zurück. Damaspias Gesicht war wachsbleich geworden. Mit weit aufgerissenen
Augen starrte sie hinüber zu Sissingambri.
    Die Königinmutter hatte sich nicht bewegt. Sie saß auf ihrem
Thronsessel, die Unterarme auf die Lehnen gelegt, aufrecht, doch den Blick
gesenkt.
    „Schnell“, rief einer der Soldaten. „Ihr müsst fliehen!“
    Sissingambris Gesicht war regungslos, die farblosen Lippen
zusammengepresst. Paruschjati verstand nicht, warum sie nicht reagierte. Immer
mehr Frauen waren aufgestanden und schienen dann mitten in der Bewegung
erstarrt zu sein.

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