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Die Perserinnen - Babylon 323

Die Perserinnen - Babylon 323

Titel: Die Perserinnen - Babylon 323 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfriede Fuchs
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überliefert. Wir kennen
diese Werke nur aus den Litaneien der Magier, aus den Vorträgen der Sänger und
Geschichtenerzähler. Es gibt nichts Schriftliches. Keine Bücher wie bei den
Griechen.“
    „Natürlich gibt es Schriftliches“, beharrte Paruschjati,
„nur eben nicht auf Papyros, sondern auf Tontafeln oder auf Stein. Da sind zum
Beispiel Inschriften auf Felswänden und in Palästen, auf denen die Großkönige
ihre Taten für die Nachwelt festgehalten haben.“
    Unbeeindruckt erwiderte Barsine: „Ja, wir haben eine
Schrift, aber wir benutzen sie nur, um langweiligen Verwaltungskram damit
festzuhalten, für den sich in tausend Jahren kein Mensch mehr interessieren
wird. Wer will schon wissen, wie viel Getreide oder Fleisch einer
Palastarbeiterin in Susa zugeteilt wird? Und was die Königsinschriften
betrifft: Jeder weiß, dass darin nur Blödsinn steht.“
    „Jedenfalls sind unsere Tontafeln und Inschriften auf Stein
dauerhafter als Papyros. Es wird sie noch geben, wenn die Bücher der Griechen
längst zu Staub zerfallen sind.“
    „Verzeihung, aber ich glaube, da irrst du dich“, mischte
sich Nikobule ein. „Von einem Papyros-Buch gibt es nicht nur ein einziges
Exemplar, sondern viele Abschriften. Sie wandern von Hand zu Hand, verbreiten
sich von einem Land zum anderen, und wenn das Buch eines Tages alt und
zerschlissen ist, ist es längst hundertmal abgeschrieben worden. Und die
Abschriften werden ebenfalls kopiert. So kann ein Buch Jahrhunderte überdauern,
wer weiß, vielleicht sogar Jahrtausende. Was darin einmal festgehalten wurde,
kann nicht mehr vergehen. Genauso wenig, wie Wasser, das aus einem
durchlöcherten Schlauch zu Boden geflossen ist, in ihn zurückkehren kann. Es
versickert in der Erde und macht sie fruchtbar. So ist es auch bei einem Buch.“
    „Nur, wenn es bei den Menschen immer wieder neu auf
Interesse stößt“, wandte Paruschjati ein. „Andernfalls wird es verloren gehen
wie ein Blatt im Herbstwind.“
    „Vielleicht, aber selbst wenn von hundert Büchern nur eines
die Zeit überdauert, wäre das nicht eine Bereicherung für die Welt? Wir
Griechen haben viele Bücher, zumindest einige davon werden für immer
weiterleben! Die griechische Schrift ist viel einfacher als eure komplizierten
Zeichensysteme, die nur professionelle Schreiber nach jahrelangem Studium
beherrschen. Unsere Schrift dagegen kann jeder erlernen. Jeder kann Bücher
lesen, und jeder kann, wenn er will, sogar selbst welche schreiben. Das Buch
ist eine geniale Idee. Eine demokratische Erfindung, die allen Menschen
offensteht.“
    „Nicht allen, sondern nur denen, die die griechische Sprache
und Schrift beherrschen.“
    „Stimmt“, gab Nikobule zu, „aber dank Alexander trifft das
auf immer mehr Menschen zu. Wenn schon persische Damen wie ihr beide anfangen,
griechische Bücher zu lesen, wird es bald die ganze Welt tun. Selbst wenn es
sonst nichts Gutes über Alexander zu berichten gäbe, wäre allein schon das eine
Leistung, für die er für immer im Gedächtnis der Menschen bleiben wird.“
    „Das ist genau das, was ich gemeint habe“, meldete sich
wieder Barsine zu Wort. „Wenn wir Perser unsere Kultur und Geschichte nicht
selbst in Büchern verbreiten, dann werden die Menschen in tausend Jahren nur
das über uns wissen, was unsere Feinde, die Griechen, über uns geschrieben
haben.“ Sie lächelte. „Entschuldige, Nikobule.“
    Den Rest des Tages wartete der Hof gespannt auf die Rückkehr
des Königs, während sich im Alten Palast noch immer die höheren Offiziere
bereithielten. Doch der König kam nicht. Bald tauchten die ersten Gerüchte auf,
dass er an diesem Tag überhaupt nicht mehr kommen werde. Dann wieder hieß es,
er werde bei Einbruch der Dämmerung zurückkehren.
    Paruschjati schickte nach Ahatu, um sich ein wenig ablenken
zu lassen, doch die Harfenspielerin war spurlos verschwunden. „Ich habe ihr von
Anfang an nicht vertraut“, sagte Mannuja, „aber Aspamithra wollte ja nicht auf
mich hören. Ich bin sicher, dass sie es war, die für Apama spioniert hat. Als
sie merkte, dass ich sie durchschaue, hat sie es vorgezogen, das Weite zu
suchen.“
    Paruschjati sah der alten Frau prüfend ins Gesicht. Sie
wirkte erschöpft und besorgt. Dabei hätte sie eigentlich erleichtert sein
müssen, die verdächtige Harfenspielerin los zu sein. „Gibt es Probleme?“
    „Nein.“
    Doch Mannuja wirkte immer noch besorgt. Vielleicht hatte es
wegen Ahatu tatsächlich Streit mit Aspamithra gegeben. Das

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