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Die Perserinnen - Babylon 323

Die Perserinnen - Babylon 323

Titel: Die Perserinnen - Babylon 323 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfriede Fuchs
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Alle warteten auf Sissingambri.
    „Banuka“, sagte der Soldat. „Ihr müsst fliehen, sofort.
Sonst ist es zu spät.“
    Noch immer zeigte die Königinmutter keine Reaktion. Und da
fiel es Paruschjati wie Schuppen von den Augen: Warum fliehen, wenn der
Großkönig gesiegt hatte? Warum nicht einfach warten, bis er selbst kam und
seine Familie befreite? Wieder einmal schien eine eisige Hand nach Paruschjatis
Herz zu greifen und es zusammenzudrücken.
    „Großmutter!“, rief eine Stimme, eine sehr junge und helle
Stimme. Amaschtri. „Komm, wir müssen weg! Bitte!“ Sie hatte nach dem Arm ihrer
Großmutter gegriffen, doch so sehr sie auch daran zerrte, sie konnte ihn nicht
von der Lehne losreißen.
    „Banuka …“, begann der Soldat noch einmal und brach dann
ratlos ab. Einen kurzen Augenblick noch stand er in der Mitte des Zeltes, dann
drehte er sich um und lief hinaus. Seine Kameraden folgten ihm nach kurzem Zögern.
    „Großmutter …“, bettelte Amaschtri noch einmal, dann sank
sie kraftlos auf ihr Hinterteil. Tränen liefen aus ihren aufgerissenen Augen,
und ihr Mund stand offen.
    Ein paar Frauen liefen zum Ausgang und schlüpften hindurch,
nur eine Handvoll, nicht mehr. Alle anderen setzten sich nach und nach wieder
hin. Paruschjati blieb neben dem Stuhl ihrer Mutter stehen und sah hinüber zu
Sissingambri, die immer noch reglos auf ihrem Thron saß. Von allen Frauen in
diesem Zelt, so wusste sie, waren sie und ihre Mutter die Einzigen, die in
voller Tragweite erfasst hatten, was eben geschehen war.
    Die anderen brauchten dazu bis zum Abend. Dann stand
endgültig fest, dass das Heer des Großkönigs wieder besiegt worden war. Mitten
im Kampf hatte Darajavahusch seinen Streitwagen wenden lassen und die Flucht
ergriffen, nun zum zweiten Mal. In den Augen vieler hatte er damit aufgehört,
Großkönig zu sein. Die letzte Hoffnung auf Rettung war zerstört, das Ende der
Welt gekommen.
    „Paruschjati, ich möchte dir jemanden vorstellen: Das ist
Nikobule aus Kolophon. Ihr Bruder ist Schriftsteller!“
    Paruschjati hatte sich entschlossen, auf dem Rückweg in ihre
Gemächer bei Barsine vorbeizuschauen, doch wie sich herausstellte, hatte sie
bereits Besuch. Paruschjati warf Nikobule einen freundlichen Blick zu. „Wir
kennen uns schon.“
    „Oh“, sagte Barsine mit gespielter Enttäuschung, „und ich
habe mir eingebildet, sie sei meine persönliche Entdeckung!“
    „Wir sind einander vor zwei Tagen auf einem Fest bei Apama
begegnet. Nikobule hat mir sogar eines ihrer Bücher geschenkt. Ich habe schon
angefangen, darin zu lesen.“
    „Wirklich?“ Nikobule lächelte erwartungsvoll. „Und? Gefällt
es dir?“
    „Ja. Dein Bruder hat Talent zum Schreiben. Mich haben
besonders die Klarheit der Darstellung und seine eleganter Stil beeindruckt.
Allerdings“, fügte Paruschjati vorsichtig hinzu, „solltest er sich vielleicht
Themen suchen, die von allgemeinerem Interesse sind als die Geschichte eurer
Heimatstadt.“
    „Ich verstehe“, erwiderte Nikobule gefasst. „Es ist ja auch
Kleitarchos’ erstes Buch.“
    „Warum schreibt er nicht lieber über die Ereignisse hier in
Babylon?“, schaltete sich Barsine wieder ein. „Oder vielleicht etwas über uns
Perser? Griechische Schriftsteller haben zwar ganze Berge von Büchern über uns
verfasst, aber das meiste davon – entschuldige, Nikobule – ist völlig aus der
Luft gegriffen und einiges sogar dreist erlogen.“
    Mit einem Lächeln erwiderte die Nikobule: „Du brauchst dich
nicht zu entschuldigen. Ich habe längst herausgefunden, dass vieles ganz anders
ist, als Geschichtsschreiber wie Herodot und Ktesias es dargestellt haben.“
    Paruschjati hüllte sich in Schweigen. Zufällig gehörte
Nikobules Vater, Deinon aus Kolophon, ebenfalls zu den unseriösen
Schreiberlingen, über die Barsine sich beschwerte.
    Barsine seufzte. „Ich fürchte, eines Tages werden die
Menschen nur das von uns Persern wissen, was die Griechen über uns geschrieben
haben. Denn wir selbst verfügen über keine literarische Kultur, um unsere
Traditionen festzuhalten und den Leistungen unseres Volkes ein Denkmal zu
setzen.“
    „Augenblick“, wandte Paruschjati ein, „selbstverständlich
besitzen wir eine eigene Literatur! Zum Beispiel die heiligen Hymnen unseres
Propheten Zarathuschtra – sie sind nicht weniger kunstvoll als die Werke der
griechischen Dichter. Auch bei uns gibt es Liebesgedichte und Heldenlieder,
Märchen und …“
    „Aber nichts davon wird schriftlich

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