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Die Pest (German Edition)

Die Pest (German Edition)

Titel: Die Pest (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
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sagen Sie sich, dass Ihre Chancen, davonzukommen, eins zu drei stehen.»
    «Diese Schätzungen haben doch keinen Sinn, Herr Doktor, das wissen Sie so gut wie ich. Vor hundert Jahren hat eine Pestepidemie in Persien alle Bewohner einer Stadt getötet und ausgerechnet den Totenwäscher nicht, der nie aufgehört hatte, seine Arbeit zu verrichten.»
    «Er hat die dritte Chance erwischt, das ist alles», sagte Rieux mit plötzlich dumpferer Stimme. «Aber es stimmt, dass wir in dieser Hinsicht noch alles lernen müssen.»
    Sie kamen jetzt in die Vorstadt. Die Scheinwerfer beleuchteten die menschenleeren Straßen. Sie hielten an. Vor dem Auto fragte Rieux Tarrou, ob er mitkommen wolle, und der sagte ja. Ein Schimmer vom Himmel erhellte ihre Gesichter. Rieux lachte plötzlich freundschaftlich.
    «Sagen Sie, Tarrou, was treibt Sie dazu, sich damit zu befassen?»
    «Ich weiß nicht. Meine Moral vielleicht.»
    «Und die wäre?»
    «Verständnis.»
    Tarrou wandte sich dem Haus zu, und Rieux sah erst wieder sein Gesicht, als sie bei dem alten Asthmatiker waren.
     
     
    Gleich am nächsten Tag machte sich Tarrou an die Arbeit und stellte eine erste Gruppe zusammen, der viele weitere folgen sollten.
    Der Erzähler hat jedoch nicht die Absicht, diesen Sanitätstrupps mehr Bedeutung zuzuschreiben, als sie hatten. Viele unserer Mitbürger würden an seiner Stelle heute allerdings der Versuchung nachgeben, deren Rolle zu übertreiben. Aber der Erzähler neigt eher zu der Auffassung, dass man dem Bösen letztlich indirekt eine starke Huldigung erweist, wenn man die guten Taten zu wichtig nimmt: Damit deutet man nämlich an, dass diese guten Taten nur deshalb einen so großen Wert haben, weil sie selten sind, und dass Bosheit und Gleichgültigkeit ein sehr viel häufigerer Antrieb des menschlichen Handelns sind. Diese Ansicht teilt der Erzähler nicht. Das Böse in der Welt geht fast immer von Unwissenheit aus, und der gute Wille kann ebenso viel Schaden anrichten wie die Bosheit, wenn er nicht aufgeklärt ist. Die Menschen sind eher gut als böse, und eigentlich geht es gar nicht um diese Frage. Aber sie sind mehr oder weniger unwissend, und das nennt man dann Tugend oder Laster, wobei das hoffnungsloseste Laster das der Unwissenheit ist, die alles zu wissen vermeint und sich deshalb das Recht nimmt zu töten. Die Seele des Mörders ist blind, und es gibt keine wirkliche Güte oder wahre Liebe ohne die größtmögliche Klarsichtigkeit.
    Deshalb müssen unsere Sanitätstrupps, die dank Tarrou zustande kamen, mit objektiver Befriedigung beurteilt werden. Deshalb wird der Erzähler kein hohes Loblied auf den Willen und Heroismus singen, denen er nur eine angemessene Bedeutung beimisst. Aber er wird fortfahren, die Geschichte der damals von der Pest zerrissenen und von Ansprüchen erfüllten Herzen unserer Mitbürger zu schreiben.
    Das Verdienst derer, die sich in den Sanitätstrupps engagierten, war tatsächlich nicht so groß, denn sie wussten ja, dass es das Einzige war, was man tun konnte, und dass es damals unglaublich gewesen wäre, sich nicht dafür zu entscheiden. Diese Trupps halfen unseren Mitbürgern, weiter auf die Pest einzugehen und überzeugten sie teilweise davon, dass, da die Krankheit nun einmal da war, das Nötige getan werden musste, um gegen sie zu kämpfen. Weil die Pest auf diese Weise die Pflicht einiger wurde, zeigte sie sich als das, was sie wirklich war, nämlich die Sache aller.
    Das ist gut so. Aber man gratuliert einem Lehrer nicht, weil er lehrt, dass zwei und zwei vier ist. Man gratuliert ihm vielleicht, dass er sich zu diesem schönen Beruf entschlossen hat. Sagen wir also, es war lobenswert, dass Tarrou und andere sich entschlossen hatten zu beweisen, dass zwei und zwei eher vier ergibt als das Gegenteil, aber sagen wir auch, dass sie diesen guten Willen mit dem Lehrer und all denen teilten, die das gleiche Herz haben wie der Lehrer und die, zur Ehre des Menschen, zahlreicher sind, als man denkt, zumindest nach der Überzeugung des Erzählers. Er ist sich übrigens sehr wohl des Einwands bewusst, den man ihm entgegenhalten könnte, nämlich dass diese Menschen ihr Leben riskierten. Aber es kommt immer eine Stunde in der Geschichte, da derjenige, der zu sagen wagt, dass zwei und zwei vier ist, mit dem Tod bestraft wird. Der Lehrer weiß das wohl. Und die Frage ist nicht, welche Belohnung oder Strafe diese Beweisführung nach sich zieht. Die Frage ist, ob zwei und zwei vier ist oder nicht. Jene unter

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