Die Pest zu London
anliegenden Landgebiete zu plündern, und das hätte nicht nur die Stadt, sondern zu guter Letzt die ganze Nation in die äußerste Angst und Verwirrung gestürzt.
Man merkte den Menschen damals an, wie das große Unheil sie sehr bescheiden machte; denn es starben jetzt, neun Wochen lang hintereinander, Tag für Tag beinahe tausend Menschen, und das nach der Aufstellung der wöchentlichen Sterberegister, die ja doch, dessen bin ich gewiß, niemals die vollen Zahlen, sondern um viele Tausende zu wenig angaben, da die allgemeine Verwirrung zu groß war und die Tatsache, daß die Totenkarren ihr Werk zur Nachtzeit verrichteten, mancherorts eine Zählung überhaupt unmöglich machte.
Aber ob auch Schreiber und Küster bisweilen für Wochen ausfielen und so niemand genaue Zahlen wußte, so wurde dennoch die Arbeit an dem Register fortgeführt, und ich entnehme ihm meine Angaben, die ich hier wiedergebe: An allen
An der
Krankheiten
Pest
zusammen
Vom 8. bis 15. August
5319
3880
Vom 15. bis 22. August
5568
4237
Vom 22. bis 29. August
7496
6102
Vom 29. August bis 5. September
8252
6988
Vom 5. bis 12. September
7690
6544
Vom 12. bis 19. September
8297
7165
Vom 19. bis 26. September
6460
5533
Vom 26. September bis 3. Oktober
5720
4929
Vom 3. bis 10. Oktober
5068
4327
59870
49705
127
Der Großteil der Opfer wurde also in diesen zwei Monaten dahingerafft; denn während die Gesamtzahl aller, die an der Pest starben, sich auf 68590 belief, so haben wir hier innerhalb zweier Monate schon 50000 oder um eine Kleinigkeit weniger; man kann sagen 50000, denn wenn auch 295 daran fehlen, so fehlen auch, wenn man die Zeit zusammenrechnet, zwei Tage an vollen zwei Monaten. Wenn ich sage, die Gemeindebeamten gaben nicht die vollen Zahlen weiter oder machten keine verläßlichen Angaben, nun, so möge jeder sich fragen, wie Menschen hätten genau sein können, wenn die Zeit so furchtbare Bedrängnisse brachte und viele von ihnen selbst von der Krankheit ergriffen wurden und vielleicht zu dem Zeitpunkt, zu dem ihre Berichte abgegeben werden sollten, schon tot waren; ich spreche von den Gemeindeschreibern, neben untergeordne-ten Beamten; denn obwohl diese guten Leute jede Gefährdung auf sich nahmen, so waren sie doch beileibe nicht von dem allgemeinen Unglück ausgenommen –, wenn man zum Beispiel bedenkt, daß die Pfarre Stepney in einem Jahr 116 Küster, Totengräber und deren Helfer gehabt hat; das schließt auch die Leichenträger, Klingler und die Fuhrleute der Leichenwagen mit ein.
Ihre Arbeit war in der Tat so beschaffen, daß sie ihnen nicht viel Muße ließ, eine genaue Zählung der Toten vorzunehmen, die alle zusammen im Dunkeln in eine Grube gehudelt wurden; und dieser Grube oder dem Graben sich zu nähern, bedeutete für jeden die äußerste Gefährdung. Ich konnte oft feststellen, daß in den Pfarren Aldgate und Cripplegate, Whitechapel und Stepney fünf-, sechs-, sieben- oder achthundert Tote in der Woche auf dem Register verzeichnet waren, während, wenn wir der Meinung derer, die ebenso wie ich die ganze Zeit über in der City gelebt haben, glauben dürfen, in Wirklichkeit in diesen Pfarren manchmal 2000 in der Woche starben; und ich habe es auch aus den Berechnungen eines Mannes, der dieser Frage mit aller nur möglichen Genauigkeit nachgegangen ist, 128
daß in diesem einen Jahr in Wahrheit hunderttausend Menschen an der Pest gestorben sind, während es auf dem Sterberegister, unter der Rubrik Pesttote, nur 68 590 waren.
Wenn ich meine Meinung ausdrücken darf, so glaube ich, nach allem, was ich mit eigenen Augen gesehen und von anderen, die Augenzeugen waren, gehört habe, tatsächlich das gleiche, nämlich daß mindestens 100 000 Menschen an der Pest allein gestorben sind, nicht die anderen Krankheiten eingerechnet und nicht die, die im Freien und auf den Straßen und an versteckten Plätzen starben; denn wer außer dem Bereich der Verständigung, wie es genannt wurde, starb, wurde auf dem Totenregister nicht mitgezählt, obwohl er doch in Wirklichkeit auch zur Gesamtbevölkerung gehörte. Es war uns allen bekannt, daß mehr als genug verzweifelter Geschöpfe mit der Pest am Leib und durch ihr Unglück blödsinnig oder melancholisch geworden, wie es gar nicht selten vorkam, durch die Felder und Wälder irrten und sich in abgelegene, rauhe Orte verloren, um irgendwo unter einen Busch oder eine Hecke zu kriechen und zu sterben.
Die Einwohner der in der Nähe liegenden Dörfer
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