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Die Pest zu London

Die Pest zu London

Titel: Die Pest zu London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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reichte etwa zwei Yards weit. Danach ging er zum dritten Male hinein und kam mit einer rotglühenden Zange wieder, die er wohl für diesen Zweck vorbereitet hatte, und setzte zuerst die Zündlinie in Brand; das versengte die Börse und räucherte die Luft genügend aus. Aber damit war er noch nicht zufrieden, sondern er nahm dann die Börse mit der Zange hoch und hielt sie so lange, bis das heiße Eisen das Leder durchgebrannt hatte, und dann schüttelte er das Geld in den Wassereimer heraus und trug ihn hinein. Der Betrag war, wenn ich mich recht erinnere, ungefähr dreizehn Schillinge und einige blanke Heller und Kupferpfennige.
    Es hätte vielleicht mehr als einen Armen gegeben, wie ich vorher bemerkte, der, wo es um Geld ging, sich nicht lange besonnen hätte zuzugreifen; aber man kann leicht aus dem, was ich hier schilderte, ersehen, daß die wenigen, die verschont blieben, zu der Zeit, als das Unheil so über die Maßen groß war, sich sehr in acht nahmen.
    Ziemlich um die gleiche Zeit machte ich einen Weg über die Felder nach Bow hinaus; denn ich war sehr begierig zu erfahren, wie man sich auf dem Fluß unter den Schiffsleuten eingerichtet hatte; und da ich mit der Schiffahrt zu tun hatte, war mir der Gedanke gekommen, daß es auch eine sehr gute Art, sich vor der Ansteckung zu sichern, sein mußte, wenn man sich auf ein Schiff zurückzog; und während ich nachsann, wie ich 136

    meine Neugier in diesem Punkt befriedigen könnte, wandte ich mich von Bow aus durch die Felder nach Bromley, dann nach Blackwell hinunter, wo es die Ufertreppen zum Anlegen und Wasserholen gibt.
    Hier sah ich einen armen Mann auf der Böschung oder der Seemauer, wie sie sie nennen, einhergehen, ganz allein. Ich ging auch eine Weile umher und sah, daß alle Häuser gesperrt waren. Schließlich kam ich mit dem armen Mann aus der Entfernung etwas ins Gespräch; zuerst fragte ich ihn, wie es den Leuten hierherum gehe. »Ach, mein Herr«, sagte er, »es ist zum Weinen; alle sind tot oder krank. Da sind sehr wenige Familien hier unten oder in dem Dorf«, (er zeigte auf Poplar),
    »wo nicht die Hälfte schon tot sind und die übrigen krank.«
    Dann deutete er auf ein Haus. »Dort sind alle tot«, sagte er,
    »und das Haus steht offen; keiner traut sich hinein. Ein armer Dieb hat sich hineingewagt, um etwas zu stehlen, aber er hat für seinen Diebstahl teuer bezahlen müssen, denn man hat auch ihn gestern zum Kirchhof getragen.« Dann wies er auf verschiedene andere Häuser. »Dort«, sagte er, »sind sie alle tot, Mann und Frau und fünf Kinder. Dort drüben die sind eingeschlossen; man sieht den Wachmann vor der Tür.« Und so sprach er noch von anderen Häusern. »Nun«, sagte ich, »und was tut Ihr hier so allein?« »Nun«, sagte er, »ich bin ein armer, geschlagener Mann; es hat Gott gefallen, daß ich noch nicht heimgesucht bin, obschon es meine Familie ist und eines meiner Kinder starb.« »Wie könnt Ihr dann sagen«, sprach ich,
    »daß Ihr nicht heimgesucht seid?« »Nun«, sagte er, »das da ist mein Haus« (und er zeigte auf ein sehr kleines, niedrig gebautes Haus), »und dort leben mein armes Weib und zwei Kinder«, sagte er, »wenn man das noch leben nennen kann, denn mein Weib und eines der Kinder haben die Heimsuchung, aber ich gehe nicht zu ihnen.« Und bei diesen Worten sah ich ihm in Fülle die Tränen die Wangen hinablaufen; und mir liefen sie auch, das kann ich versichern.

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    »Aber«, sprach ich, »warum geht Ihr nicht zu ihnen? Wie könnt Ihr Euer eigen Fleisch und Blut im Stich lassen?«
    »Oh, mein Herr«, sagte er, »da sei Gott vor! Ich lasse sie nicht im Stich; ich arbeite für sie, soviel ich nur kann; und, Gott helfe mir, ich halte sie frei von Not«; und damit erhob er seine Augen zum Himmel, und wie ich seine Miene sah, wußte ich, daß ich auf einen Mann getroffen war, der kein Heuchler war, sondern ein ernster, frommer, guter Mensch; und seine Stoßgebete waren der Ausdruck der Dankbarkeit dafür, daß er in der Lage, in der er sich befand, sagen konnte, seine Familie leide keine Not. »Nun ja«, sagte ich, »das ist ein großer Glücksfall, so wie die Dinge für die Armen stehen. Aber wie lebt Ihr denn, und was hat Euch vor dem Unheil bewahrt, das uns allen droht?« »Nun, mein Herr«, sagte er, »ich bin Fährmann, und da ist mein Boot, und das Boot dient mir als Haus.
    Ich arbeite darin am Tage und schlafe darin zur Nacht; und wenn ich etwas bekomme, lege ich es auf den Stein«, sagte er und zeigte

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