Die Pest Zu London
der Epidemie verschont geblieben; aber soviel kann ich sagen, daß ich keinen gekannt habe, dem etwas zugestoßen wäre, und das erwähne ich zur Ermutigung anderer, die sich im Falle einer gleichen Not befinden; und wenn es wahr ist, daß, wer den Armen gibt, dem Herrn borgt und von Ihm zurückgezahlt erhalten wird, so braucht man nicht zu zweifeln, daß wer sein Leben für die Armen wagt, um ihnen in solch einem Elend Trost und Hilfe zu bringen, auch hoffen darf, in seinem Werk beschützt zu werden.
Dabei war diese ungewöhnliche Nächstenliebe nicht das Vorrecht einiger weniger, sondern (ich komme von diesem Thema nicht so leicht los) die Wohltaten der Begüterten, aus der Stadt und den Vororten sowohl als vom Lande her, kamen so reichlich, daß, um es in einem Wort zu sagen, eine erstaunliche Zahl von Menschen, die sonst unvermeidlich entweder am Hunger oder an der Krankheit hätten umkommen müssen, durch diese Mittel unterstützt und unterhalten werden konnten; und obwohl ich nie zu einer genauen Kenntnis gelangen konnte (das ist wohl niemandem gelungen), was auf diese Weise zusammengekommen ist, so glaube ich doch, was ich einen kritischen Beobachter dieser Angelegenheit sagen hörte: Es seien nicht nur viele tausend Pfund gespendet worden, sondern viele hunderttausend Pfund, um den Armen unserer in Bedrängnis und Not geratenen Stadt zu helfen; ja, jemand hat mir versichert, er könne mehr als hunderttausend Pfund in der Woche aufrechnen, die von den Gemeindevorstehern in den verschiedenen Pfarrsakristeien, vom Lordbürgermeister und den Stadträten in den verschiedenen Stadtbezirken und Revieren, und auf besondere Anweisung des Hofes, beziehungsweise der Friedensrichter in den einzelnen Gebieten, verteilt wurden, und dies zusätzlich zu den Liebesgaben, die von frommer Hand ausgeteilt wurden, so wie ich es eben beschrieb; und das hielt viele Wochen hintereinander an.
Zugegeben, daß dies eine sehr große Summe ist; aber wenn es zutrifft, daß in der Cripplegate Pfarre allein 17 800 Pfund in einer Woche zur Unterstützung der Armen ausgeteilt wurden, wie ich es habe durchaus glaubwürdig berichten hören, dann braucht auch die andere Zahl nicht unwahrscheinlich zu sein.
Man muß dies ohne Zweifel zu den vielen anfallenden Gnadenerweisen der Vorsehung rechnen, die unserer großen Stadt zuteil wurden und von denen noch manch anderer der Aufzeichnung wert wäre – ich sage, dies war ganz besonders auffallend, daß es Gott gefiel, auf diese Art die Herzen der Menschen in allen Teilen des Reiches zu rühren, daß sie mit so freudiger Bereitwilligkeit für die Unterstützung der Armen in London spendeten, wovon die erfreulichen Folgen sich allenthalben bemerkbar machten und besonders darin, daß viele Tausende am Leben erhalten wurden und ihre Gesundheit wiedererlangten und daß Familien, wiederum zu Tausenden, dem Hungertod entgingen.
Und wo ich jetzt bei den gnädigen Fügungen der Vorsehung zur Zeit der Epidemie bin, kann ich nicht umhin, wieder darauf zu sprechen zu kommen, was ich zwar schon öfter in anderem Zusammenhang erwähnt habe, ich meine die Art des Fortschreitens der Pest; wie sie an einem Ende der Stadt begann und sich nur langsam und allmählich von Stadtviertel zu Stadtviertel fortbewegte, gleich einer dunklen Wolke, die über unsern Köpfen dahinzieht: Während sie an einer Stelle sich zusammenballend den Himmel bedeckt, läßt sie an der anderen die Sonne hindurchbrechen; ebenso war es mit dem Verlauf der Pest: während sie in Richtung von Westen nach Osten voranwütete, ließ sie im Westen wieder nach, und dadurch wurden die Stadtteile, die noch nicht ergriffen waren oder verschont blieben, und die, wo die Pest sich bereits ausgetobt hatte, gewissermaßen freigestellt, um den anderen beizustehen und zu helfen. Hätte sich hingegen die Seuche über das ganze Stadtgebiet und die Vororte auf einmal verbreitet und ihre Wut überall zugleich entfaltet, wie sie es seither an manchen Orten im Ausland getan hat, wäre die gesamte Einwohnerschaft überwältigt worden und es wären zwanzigtausend am Tage gestorben, wie es in Neapel geschehen sein soll, so wären die Leute nicht imstande gewesen, einander zu helfen und beizustehen.
Denn wo die Pest einmal war und ihre ganze Macht fühlen ließ, dort waren die Leute, das muß gesagt werden, freilich sehr elend daran, und ihre Niedergeschlagenheit war unbeschreiblich. Aber kurze Zeit noch bevor die Pest bei ihnen angelangt war, oder gleich nachdem sie
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