Die Pest Zu London
schrecklicher Verfassung und so verseucht ist?« »Ach, was das betrifft«, sagte er, »so gehe ich sehr selten an Deck hinauf, sondern ich liefere, was ich bringe, in dem Beiboot ab, oder ich lege an und sie hissen es hoch. Aber auch wenn ich an Bord ginge, ich glaube nicht, daß ich ihnen Gefahr brächte, denn ich gehe nie in ein Haus an Land oder berühre jemand, nein, nicht einmal von meiner eigenen Familie; ich hole nur Lebensmittel für sie.«
»Ja, aber«, sagte ich, »das kann noch schlimmer sein, denn Ihr müßt diese Lebensmittel ja von irgend jemandem herhaben; und da dieser ganze Teil der Stadt so verseucht ist, ist es gefährlich, mit irgendwem auch nur zu sprechen, denn dieses Dorf ist sozusagen der Anfang von London, wenn es auch noch ein Stück davon weg liegt.«
»Das ist wahr«, sagte er, »aber Ihr versteht mich nicht recht; ich kaufe die Lebensmittel nicht hier ein. Ich rudere nach Greenwich hinauf und kaufe dort frisches Fleisch, und manchmal rudere ich auch nach Woolwich hinab und kaufe dort ein; dann gehe ich auf einzelstehende Gehöfte im Kentischen, wo man mich kennt, und kaufe Geflügel und Eier und Butter, und dann bringe ich zu den Schiffen von dem einen oder anderen, je nachdem was sie jedesmal bestellt haben. Ich komme selten hier an Land, und ich bin jetzt nur gekommen, um mein Weib zu rufen und zu hören, wie es meiner kleinen Familie ergeht, und ihnen etwas Geld zu geben, das ich gestern abend bekommen habe.«
»Armer Mensch!« sagte ich; »und wieviel hast du für sie zusammengebracht?«
»Ich habe vier Schillinge« sagte er, »und das ist viel Geld, so wie die Dinge jetzt mit den armen Leuten stehen; aber sie haben mir auch einen Sack Brot gegeben und einen gesalzenen Fisch und etwas Fleisch; so kommt alles zueinander.« »Nun, und hast du es ihnen schon gebracht?« sagte ich. »Nein«, sagte er; »aber ich habe gerufen, und mein Weib hat geantwortet, daß sie nicht gleich herauskommen könne, aber in einer halben Stunde, hofft sie, kann sie es tun, und ich warte auf sie. Arme Frau! sie ist ganz elend daran. Sie hat eine Geschwulst, und sie ist aufgegangen, und ich hoffe, sie wird gesund werden; aber das Kind, fürchte ich, wird sterben, jedoch es ist der Herr –«
Hier verstummte er und weinte sehr.
»Nun, wackerer Freund«, sagte ich, »du hast einen sicheren Tröster, wenn du dahin gelangst, dich in den Willen Gottes zu ergeben; Er verfährt mit uns allen nach Seiner Gerechtigkeit.« »Oh, mein Herr«, sagte er, »es ist schon eine unendliche Gnade, wenn einer verschont wird, und wer bin ich, daß ich murren dürfte!«
»Sprichst du so?« sagte ich, »wieviel geringer ist dann mein Glaube als der deine?« Und hier überfiel mich meine Seele mit Vorwürfen: Wieviel fester war doch dieses armen Mannes Entschluß, in der Gefahr auszuhalten, gegründet als der meine; er hatte nicht, wohin er hätte fliehen können; er hatte eine Familie, die ihn zum Unterhalt verpflichtete, das hatte ich nicht; mein Ausharren war reine Vermessenheit, seines eine echte Unabkömmlichkeit und ein Vertrauen, das in Gott ruhte; und doch hatte er jede mögliche Vorsicht für seine Sicherheit gebraucht.
Ich wandte mich ein wenig von ihm ab, während diese Gedanken mich festhielten, denn ich konnte mich in der Tat der Tränen ebensowenig erwehren wie er.
Schließlich, nachdem wir noch etwas geplaudert hatten, öffnete die arme Frau die Tür und rief: »Robert, Robert.« Er antwortete und hieß sie einige Augenblicke warten, er werde gleich kommen; er lief die offene Treppe zu seinem Boot hinunter und holte einen Sack herauf, in dem die Lebensmittel waren, die er von den Schiffen hergebracht hatte; und als er wieder oben war, rief er wieder Hallo.
Dann ging er zu dem großen Stein, den er mir gezeigt hatte, und leerte den Sack und legte alles, schön geordnet, dort nieder, und dann zog er sich zurück; und seine Frau kam mit einem kleinen Jungen, um die Sachen zu holen, und er rief ihr zu, daß der-und-der Kapitän das-und-das geschickt habe, und der-und-der Kapitän jenes, und fügte zum Schluß hinzu: »Es kommt alles von Gott; sagt Ihm dafür Dank.«
Als die arme Frau alles aufgenommen hatte, war sie zu schwach, um es auf einmal hineinzutragen, obwohl es so schwer gar nicht wog; so ließ sie den Zwieback, der in einem kleinen Beutel war, liegen, und der kleine Junge blieb da, um es zu bewachen, bis sie wiederkäme.
»Und habt Ihr ihr auch«, sagte ich zu dem Mann, »die vier Schillinge gegeben, die Ihr
Weitere Kostenlose Bücher