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Die Pest Zu London

Die Pest Zu London

Titel: Die Pest Zu London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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der Dienstmänner war so, daß die Kirchvorsteher und Konstabler aufgefordert wurden, darauf zu achten, und sogar die Friedensrichter in den kleinen Vororten waren verpflichtet, ihr Leben aufs Spiel zu setzen, um sie zur schnelleren Erledigung anzuhalten; zahllose Totenträger starben nämlich an der Seuche, von den Leichen, denen sie so nahezukommen genötigt waren, infiziert. Und wäre nicht die Zahl der Armen, die Beschäftigung und Brot suchten (wie ich vorher schon sagte), so groß gewesen, daß die Not sie trieb, alles und jedes zu unternehmen und zu wagen, so hätte man niemals jemand für diese Arbeit gefunden. Und dann wären die Körper der Toten unbeerdigt liegengeblieben und wären auf schreckliche Weise vergangen und verwest.
Aber man kann es den Behörden nicht hoch genug anrechnen, daß sie für einen so geordneten Ablauf der Totenbestattung sorgten, daß, sobald einer von denen, die zum Wegschaffen und Begraben der Toten bestellt waren, krank wurde oder starb, wie es häufig der Fall war, sie sofort einen anderen an seine Stelle treten ließen, was freilich aufgrund der großen Zahl von Arbeitslosen, wie oben gesagt, nicht schwer war. Dies brachte es mit sich, daß ungeachtet der ungeheuren Zahl derer, die beinahe zur gleichen Zeit starben und krank lagen, dennoch die Toten jede Nacht weggeräumt und fortgeschafft wurden, so daß man von London niemals sagen konnte, die Lebenden seien nicht mehr imstande gewesen, die Toten zu begraben. Je größer die Trübsal im Laufe der Schreckenszeit wurde, um so mehr nahm auch die Verstörtheit der Menschen zu, und tausend befremdende Dinge vollführten sie, die einen halbtoll vor Angst und die anderen in der Schmerzenspein ihrer Krankheit, und dies nahm das Mitgefühl sehr in Anspruch. Einige zogen brüllend und heulend und händeringend durch die Straßen; einige pflegten betend und mit zum Himmel erhobenen Händen umherzugehen, Gott um Erbarmen anrufend. Ich kann freilich nicht sagen, ob das nicht schon im Wahn geschah, aber mag es auch Wahn gewesen sein, es war jedenfalls das Anzeichen einer ernsteren Gesinnung, die diese gehabt haben mußten, als sie noch bei Sinnen waren, und es war, so wie es war, immer noch besser als das gräßliche Gebrüll und Geheul, das jeden Tag, und besonders am Abend, auf manchen Straßen zu hören war. Ich nehme an, von Solomon Eagle, dem berühmten Schwarmgeist, hat alle Welt gehört. Er, obwohl nirgends krank als im Kopf, zog umher und wies drohend auf das Strafgericht hin, das über der Stadt sei, und das tat er auf schauerliche Art, manchmal ganz nackt und mit einer Pfanne voll glühender Kohlen auf dem Kopf. Was er sagte oder wofür er sich ausgab, konnte ich allerdings nicht erfahren.
Ich möchte auch nicht darüber urteilen, ob jener Geistliche noch ganz bei Sinnen war oder nicht, oder ob er es aus reinem Eifer für das arme Volk tat, wenn er jeden Tag durch die Straßen Whitechapels ging und mit erhobenen Händen unaufhörlich die Worte aus der Liturgie der Kirche wiederholte: »Verschone uns, gütiger Gott; verschone Dein Volk, das Du mit Deinem kostbarsten Blut erlöst hast.« Ich sage, ich kann nichts Positives über diese Dinge sagen, weil dies für mich nur Szenen eines garstigen Schauspiels waren, das sich mir darbot, wenn ich durch mein Kammerfenster schaute (denn die großen Fenster öffnete ich selten), während ich die Zeit des heftigsten Wütens der Pest in freiwilligem Hausarrest verbrachte; das war, wie ich schon sagte, als viele schon zu der Meinung gelangt waren und sie auch aussprachen, daß keiner davonkommen werde; und eigentlich war ich auch schon so weit und verblieb deshalb zwei Wochen lang innerhalb des Hauses und rührte mich nicht hinaus. Aber ich konnte es nicht durchhalten. Außerdem gab es Leute, die, ungeachtet der Gefahr, nicht versäumten, dem öffentlichen Gottesdienst beizuwohnen, nicht einmal zu der gefährlichsten Zeit; und obwohl es zutrifft, daß sehr viele Geistliche tatsächlich ihre Kirchen abschlossen und, um der Sicherheit ihres Lebens willen, wie es andere auch taten, aufs Land flohen, so gilt das doch nicht für alle. Einige ließen sich nicht abschrecken, zu amtieren und weiterhin ihre Gemeinde bei anhaltendem Gebet und gelegentlichen Predigten und kurzen Ermahnungen zur Buße und Umkehr zu versammeln, und das solange wie nur einer kam, der ihnen zuhörte. Und die Reformierten taten das gleiche und benutzten sogar die regulären Kirchen, wo die Pfarrgeistlichkeit entweder tot

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