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Die Pestärztin

Titel: Die Pestärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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Gelass vor den Kemenaten, bis Anna zurückkehrte.
    »Die Herzogin empfängt Euch tatsächlich. Ich hätt's nicht gedacht. In letzter Zeit ist sie wenig gesellig und verschließt sich früh in ihren Gemächern. Eine seltsame Frau. Früher war sie viel aufgeschlossener. Vielleicht hat sie Heimweh.«
    Lucia zuckte die Schultern. Sie führte Elisabeths Verschlossenheit eher auf ihre Angst um Adrian zurück, aber das konnte die Kammerfrau schließlich nicht wissen. Und es schien ihr nur zu verständlich, dass jemand, der aus dem Süden kam - der sizilianische Hof stand stark unter maurischem Einfluss, wie Al Shifa ihr erzählt hatte -, sich nach Sonne und leichterer Lebensart sehnte.
 
    Die Herzogin saß am Feuer in ihrer Kemenate. Es war eigentlich nicht kalt, aber vielleicht fror sie ja von innen heraus. Lucia fühlte sich gleich heimisch in diesen Räumen; sie waren ähnlich möbliert wie das Stadthaus der Speyers. Natürlich gab es keine siebenarmigen Leuchter und andere jüdische Symbole. Stattdessen hing ein reich geschmücktes Kruzifix an der Wand, und es gab einen zierlichen, aus Elfenbein geschnitzten Hausaltar und ein Betpult. Aber auch Elisabeth von Sizilien bevorzugte die leichten, verspielten maurischen Möbel, weiche Teppiche und Kissen auf den niedrigen Stühlen. Sie schmückte ihren Raum mit filigranen Glasgefäßen aus südlichen Landen und winzigen Silbermodellen von Palästen, die Al Shifas Erzählungen aus Tausendundeiner Nacht entnommen zu sein schienen. Auf einem Tischchen stand ein Schachspiel, auch dies mit fein geschnitzten Figuren aus dem Orient.
    Elisabeth wandte sich Lucia zu. Sie trug ein leichtes Hemd aus feiner Seide, darüber hatte sie nur einen Schal geworfen. Wahrscheinlich hatte sie sich bereits schlafen gelegt oder war doch kurz davor gewesen. Jetzt spielte sie mit ihrem Haarreif.
    »Willkommen, Lea«, sagte sie leise. »Mögt Ihr mir nun Euren wahren Namen verraten? Oder magst du mir deinen Namen verraten, Mädchen? Denn du bist keine ehrbare Bürgersfrau. Dein Kind ...«
    Lucia richtete sich auf.
    »Es ist kein Hurenkind!«, sagte sie fest.

2
 
    S chließlich schlief Lucia vor dem Feuer der Herzogin ein, Leona im Arm. Elisabeth sah keinen Sinn darin, sie zu wecken, um ihr einen anderen Schlafplatz anzuweisen. Sie konnte ebenso gut dort bleiben. Viele Mägde schliefen in den Kemenaten ihrer Herrinnen, um stets zur Verfügung zu stehen, wenn die Dame einen Wunsch hatte. Und Elisabeth war längst entschlossen, Lucia zu einer dieser vertrauten Dienstboten zu machen. Schließlich teilten sie jetzt schon ihre gegenseitigen Geheimnisse.
    So breitete die Herzogin nur eine Decke über die schlafende junge Frau und begab sich dann selbst zur Ruhe. Sie fühlte sich leichter und besser. Der Gedanke, endlich eine Freundin gefunden zu haben, ließ alles einfacher erscheinen, und der Goldreif in ihrer Hand war wie ein lang ersehnter Gruß aus den sonnigen Gefilden ihrer Heimat.
    Viel Ruhe war den beiden Frauen jedoch nicht vergönnt. Schon kurz nach Sonnenaufgang betätigte jemand den eisernen Klopfring an der Tür der Kemenate. Als Elisabeth nicht gleich reagierte, wurde das Klopfen zum Hämmern.
    Die Herzogin warf schließlich einen Schal über ihr Hemd und begab sich unwillig zur Tür, um zu öffnen. Es konnte kaum ihre Kammerfrau sein. Die war noch jung und hätte niemals gewagt, einen solchen Lärm zu machen. Sie stand denn auch verängstigt beiseite, ebenso wie Anna, die wohl als Erste geklopft hatte. Für das Gepolter war aber auch sie nicht verantwortlich. Vor der Tür stand, die Fäuste noch erhoben, die Herzoginmutter.
    »Ich will sofort das Mädchen sehen!« Margarete von Bayern, geborene von Holland, hielt sich nicht mit Vorreden auf. Sie war eine große, kräftige Frau und nicht im eigentlichen Sinne schön. Eine gewisse Ausstrahlung war ihr jedoch nicht abzusprechen.
    Elisabeth verbeugte sich und grüßte förmlich: »Zunächst einen guten Morgen, Frau Margarethe.«
    Die Herzoginmutter vermerkte unwillig Elisabeths Nachtkleidung. Sie selbst war bereits voll angezogen; sie pflegte beim ersten Hahnenschrei auf den Beinen zu sein.
    »Auch Euch einen guten Morgen, Frau Elisabeth, und nun zeigt mir gefälligst das Mädchen!« Die Herzoginmutter machte Anstalten, in Elisabeths Kemenate einzudringen, aber das wusste die Herzogin nun doch zu verhindern.
    »Wenn Ihr die junge Frau meint, die gestern bei mir hereinschneite, Lucia von Mainz - die schläft noch. Sie hatte gestern einen

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