Die Pestärztin
aber ...«
»Schön, dann bist du wenigstens kein Dummchen«, unterbrach Margarethe sie ohne großes Interesse. »Obwohl zu viel Bildung ja auch nicht gut tut, wie man an deiner verdorbenen Mutter sehen kann! Wenn der Oettinger nicht darauf bestanden hätte, dass sie die Bibel lesen lernt, wäre das alles nicht passiert!«
»Was wird aus dem Kind?«, erkundigte sich Elisabeth.
In Lucia stieg Wut auf. Es konnte nicht sein, dass hier über Leona und sie verhandelt wurde, als wären sie gar nicht anwesend!
»Ach ja, das Kind ...« Margarethe betrachtete Leona wie ein lästiges Anhängsel. »Ihr habt eine Tochter, Elisabeth, mit der könnt Ihr es aufziehen. Scheint ja ein ganz hübsches Ding zu sein. Wir müssen mit den Herzögen sprechen. Irgendeinen Titel kann man dem Wurm sicher verleihen. Dann findet sich schon jemand, der sie mal heiratet.«
Lucia erhob sich empört. »Leona ist kaum ein Jahr alt! Man kann sie doch noch nicht verheiraten! Und mich auch nicht! Ich hatte einen Mann, den ich liebte ...«
»Wie die Mutter, so die Tochter! Nur Liebe im Kopf, keinen Verstand!« Margarethe funkelte Lucia an. »Aber diesmal werde ich diesen Unsinn unterbinden. Du hattest also einen Mann ...? Gehe ich recht in der Annahme, dass du ihn nicht deinen Gatten nennen konntest? Und was geschah mit ihm? Ist er weggelaufen?«
»Er ist tot!«, rief Lucia.
»Umso besser. Dann weiß ich beim besten Willen nicht, was du gegen eine passende Ehe einzuwenden hättest. Aber so weit sind wir noch nicht. Ich sende jetzt erst mal Boten zur Harburg. Der Burgherr, Conrad, ist dein Onkel. Er wird bestimmen, was mit dir geschehen soll. Ich hoffe allerdings, er vertraut mir und belässt dich hier zur Erziehung. Auch wenn ich bei deiner liederlichen Mutter kläglich versagt habe! Und du gehst mit Anna. Man wird dir einen Raum anweisen, den du mit den anderen Mädchen teilst. Zurzeit habe ich vier Zöglinge. Vor allem aber wird man dich herrichten, wie es deinem Stand entspricht ...«
»Was bin ich denn überhaupt?«, fragte Lucia, nun doch verschüchtert.
»Eine Fürstentochter«, klärte Margarethe sie auf. »Eine Oettingen zur Harburg. Aber bilde dir nichts darauf ein. Deine Mutter hat unter ihrem Stand geheiratet. Sie war ein dummes, verderbtes Ding, weiß Gott kein Vorbild! Geh jetzt mit Anna!«
»Aber ... aber ich wollte Lucia bei mir behalten!« Elisabeth versuchte einen Vorstoß. »Spricht etwas dagegen, dass sie meine Hofdame wird? Ich könnte sie doch ebenfalls in höfischen Sitten unterrichten.«
Lucia sah sie hoffnungsvoll an.
»Damit sie ihrem Mann dann einen Minnehof vor die Nase setzt und öffentlich ihre Ritter küsst? So weit kommt es noch! Diese neumodischen Sitten bringen nichts als Unglück und Ärger!« Die Herzoginmutter schnaubte.
Elisabeth senkte den Kopf. »Ich führe keinen Minnehof mehr«, sagte sie leise.
»Umso besser! Dein Gatte ist spät genug klug geworden. Und du weißt, was er dir aufgetragen hat: Du sollst dich bescheiden in deiner Hofhaltung und deinen Einfluss gering halten. Wer aber keinen Hof führt, Elisabeth, der braucht auch keine Damen!« Damit rauschte sie hinaus.
Lucia blickte Elisabeth verständnislos an.
»Du hast es gehört«, sagte Elisabeth müde. »Aber wir werden uns natürlich trotzdem sehen. Wenn dein Dienst dir Zeit lässt. Und meiner mir. Auch ich habe Pflichten ...« Die Herzogin sah aus, als laste die halbe Welt auf ihr.
»Aber Ihr werdet Euch um Leona kümmern?«, fragte Lucia ängstlich.
Elisabeth nickte. »Natürlich, hab keine Furcht. Meine Tochter wird entzückt von ihr sein. Agnes ist allerdings viel älter, sie wird schon zehn.«
Lucia lächelte und dachte an Daphne. »In dem Alter mögen sie lebende Puppen! Ich danke Euch herzlich, Herzogin.«
»Wenn du willst, kannst du mich duzen. Es ziemt sich nicht, dass ich eine vertraute Anrede benutze und du eine förmliche. Lucia aus Mainz konnte meine Zofe sein, Lucia von Bruckberg meine Freundin. Wenn du es willst ...« Die Stimme der Herzogin klang fast ängstlich. Sie war wieder in die demütige, devote Haltung zurückgefallen, die Lucia früher schon verwundert hatte. Bei einer Frau von Elisabeths Rang war damit nicht zu rechnen. Allerdings lebten auch nur wenige Edelfrauen unter der Fuchtel einer Margarethe von Holland. Und Stephan von Bayern schien auch kein einfacher Mensch zu sein. Sein blindwütiger Angriff auf Adrian von Rennes stand Lucia noch genau vor Augen. Und eben hatte Margarethe weitere Zwangsmaßnahmen
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