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Die Pestärztin

Titel: Die Pestärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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sich kaum zurückhalten, die Augen zu verdrehen. Adrians schöne Rede erinnerte sie an David. Viele Worte, aber letztlich ohne Inhalt. Nun mochte dies zum höfischen Umgang zwischen Ritter und Dame gehören, und unter anderen Umständen hätte es ihr vielleicht gefallen. Hier aber brachte es sie nicht weiter.
    »Mein Herr Ritter«, unterbrach sie ihn resolut. »Ihr habt Eure Bibel nicht ordentlich gelesen. Die Erzengel sind männlich. Ich dagegen heiße Lucia von ... von Bruckberg und habe nichts Himmlisches an mir. Allerdings bin ich heilkundig. Eure Dame hat mich deshalb gebeten, mir Eure Wunde anzusehen. Ich schlage also vor, Ihr zieht Euch aus und nicht noch weiter an. Sonst werden wir nicht fertig, bis die Terz zu Ende geht.«
    Der Ritter runzelte die Stirn und betrachtete Lucia fast misstrauisch.
    Elisabeth lächelte. »Meine Freundin Lucia verfügt nicht über höfische Erziehung«, sagte sie sanft. »Stattdessen hat sie nützliche Dinge gelernt. Also ziert Euch nicht, Geliebter, sondern lasst mich Euch helfen ...«
    Sie zwang Adrian zurück auf sein Lager, stützte seinen Arm und half ihn, Hemd und Unterkleid von der verletzten Schulter zu entfernen. Letzteres war nicht einfach. Der Verband war verrutscht, und das Wundsekret hatte sein Hemd durchtränkt. Es klebte nun an der Wunde, und der Ritter konnte ein Stöhnen nicht unterdrücken, als Elisabeth es abnahm.
    »Wir hätten es erst mit abgekochtem Wasser und Kamillensud einweichen müssen«, sagte Lucia mitleidig. »Gibt es hier irgendetwas, um die Wunde zu säubern?«
    Bislang konnte sie nicht viel erkennen, lediglich eine relativ kleine, aber tiefe und von einem entzündeten Herd umgebene Wunde. Sie mochte von einem Einstich herrühren, war aber zu klein für eine Lanze. Andererseits befand sie sich inmitten einer größeren Narbe.
    Elisabeth reichte ihr eine Karaffe mit Wasser und riss entschlossen ein Stück Leinen aus ihrem Unterkleid.
    Lucia hätte lieber Wein oder zumindest einen Kräuteraufguss verwandt, aber so musste es auch gehen. Vorsichtig reinigte sie die Wunde von Sekret, um besser sehen zu können. Die Verletzung sah nicht allzu schlecht aus und schien in Heilung begriffen.
    »Es war schon einmal zugeheilt«, meinte der Ritter. Die Berührung der Wunde musste ihm starke Schmerzen bereiten, aber er gab keinen Laut von sich. Lucia vermerkte nur, dass seine Haut leicht erzitterte. Sie fühlt sich trocken und heiß an; wahrscheinlich hatte der Mann leichtes Fieber. »Aber dann brach es wieder auf. Die ... die Nonnen sagen, Gott straft mich für meine Sünden ...«
    Adrian versuchte ein Lächeln, das die Ansicht der Ordensfrauen in Frage stellte. Aber er klang fast so, als beginne er, ihren Worten Glauben zu schenken.
    »Einmal?«, fragte Elisabeth kopfschüttelnd. »Die Wunde ist schon viermal verheilt und wieder aufgebrochen, seit mein Gatte ihn verletzt hat. Zunächst schien es ganz normal abzuheilen, und jetzt ist es ja auch wieder so. Die Schwester Apothekerin ist sehr zufrieden ...«
    »Das nutzt aber nichts, wenn die Heilung nicht von Dauer ist«, meinte Lucia und dachte nach. »Mir scheint es fast klüger, die Wunde offen zu halten.«
    »Offen?«, fragte Elisabeth entsetzt. »Aber ...«
    »Lasst mich auch noch einmal Euren Rücken sehen, Herr Adrian. Es gibt keine Austrittswunde, nicht wahr?« Lucia richtete den Kranken leicht auf.
    Elisabeth schüttelte den Kopf. »Nein. Mein Gatte hat ihn getroffen, aber die Lanze brach, statt seinen Körper zu durchstoßen. Deshalb dachten wir zunächst auch, es wäre nicht so schlimm.«
    Lucia nickte. »Ihr habt die Lanze herausgezogen?«
    Elisabeth verneinte noch einmal. »Das hat noch der Feldscher auf dem Turnierplatz getan. Als man ihn ins Haus brachte, sahen wir nur die klaffende Wunde.«
    »Also hat niemand überprüft, ob nicht ein Splitter von der Lanze in der Wunde verblieben ist?«, vergewisserte sich Lucia.
    »Wie hätte das denn gehen sollen?«, fragte Elisabeth unwillig. »Wir konnten doch nicht in der Wunde herumstochern. Er hat schon genug gelitten, als wir ihn nur gewaschen haben.«
    »Man hätte ja mal die Lanze ansehen können«, meinte Lucia. »Aber das ist jetzt sowieso unwichtig. Herr Ritter, ich glaube, dass diese Wunde deshalb nicht heilt, weil sie verunreinigt ist. Von innen heraus, irgendetwas steckt darin, was nicht hineingehört. Es kann ein Stück Holz sein oder Eisen, vielleicht auch nur ein abgesplittertes Stück Knochen von einer Rippe oder vom Schlüsselbein. Ich kann

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