Die Pestärztin
Witwe.«
Lucia hoffte verzweifelt, vielleicht heute schon Witwe zu werden. Bei Turnieren gab es stets Unfälle, und wenn sie Glück hatte, würde es diesmal Herrn Wolfram treffen.
Neben ihr betete Gunhild um ein ähnliches Schicksal für Birger von Skaane.
Aber wieder einmal hatte Gott kein Ohr für ihre Wünsche; sie wären ja auch zu lästerlich gewesen. Stattdessen bestritten sowohl der Fraunberger wie Herr Birger ihre Kämpfe siegreich, und auch Conrad von Oettingen blieb ungeschlagen. Er lieferte sich am späten Vormittag einen furiosen Kampf mit seinem neuen Freund Wolfram. Am Ende wälzten sich beide mit ihren Schwertern im Schlamm herum, fast wie die Knappen am Tag zuvor, und fielen gemeinschaftlich über den Herold her, der den Fraunberger schließlich zum Sieger erklärte.
Bevor die Spiele unterbrochen wurden, damit Kämpfer und Zuschauer sich erfrischen konnten, waren nur noch vier Ritter im Rennen um den Sieg: Birger Knutson, Wolfram Fraunberger, Bernhard von Paring und Dietmar von Thüringen. Der junge Ritter war stolz mit Lucias Zeichen an seiner Lanze eingeritten, hatte wieder unverschämt gegrüßt und dabei nicht nur seiner Schwester feurige Blicke geschenkt. Anschließend kämpfte er furios wie am Tag zuvor.
»Ich werde den Fraunberger für Euch schlagen!«, versprach er Lucia mit beinahe kindlichem Ernst, als er sie wieder vor dem Festzelt abfing. »Vielleicht überlegt Euer Onkel es sich dann ja noch anders! Oder seid Ihr einverstanden mit seiner Wahl?«
Dietmar betrachtete sie voller Eifer.
Lucia errötete. Die Ritter wussten es also schon. Wahrscheinlich hatte Herr Wolfram im großen Saal mit seiner jungen Braut geprahlt, oder Herr Conrad hatte die Verlobung gar bereits öffentlich angekündigt.
»Es steht mir wohl nicht zu, darüber ein Urteil zu haben«, sagte Lucia artig. Es war sicher nicht klug, den jungen Ritter in diese Angelegenheit hineinzuziehen.
»Aber Ihr könnt diesen alten Mann doch nicht lieben! Ihr solltet einen jungen Ritter freien, der Euch glücklich macht! Wird Euer Herz bei mir sein, wenn ich nachher mit Herrn Wolfram kämpfe?«
Dietmar legte die Hand auf sein Herz, und seine Geste rührte Lucia. Wieder begann sie von Zärtlichkeiten mit diesem eifrigen jungen Ritter zu träumen. Es musste so ganz anders sein als mit Clemens. Für Dietmar war sicher auch die Minne ein Spiel; er würde Lucia nicht mit dem heiligen Ernst, der tiefen Dankbarkeit an sich ziehen wie Clemens. Stattdessen würden sie scherzen und lachen, und er würde ihren Körper erforschen, als zöge er auf Abenteuer in ein fremdes Land.
Aber das war natürlich unmöglich. Sie konnte diesen Jüngling nicht erhören. Er brachte sich jetzt schon in Gefahr, wenn er entschlossener als sonst gegen Herrn Wolfram kämpfte. Und dem dritten Sohn selbst eines so reichen Hauses wie Thüringen würde ihr Onkel sie niemals freiwillig vermählen.
»Mein Herz wird für Euch schlagen, aber es wird auch um Euch fürchten. Geht keine Risiken ein, mein Ritter!«, sagte sie schließlich huldvoll.
Dietmar strahlte sie an. »Mit Eurem Zeichen an der Lanze bin ich unbesiegbar, meine Herrin!«, erklärte er.
Lucia schüttelte nur den Kopf.
Ein wenig verspätet trat sie ins Zelt und verspürte nun wirklich Hunger. Dietmar wirkte belebend auf sie; seine unbeschwerte Art erinnerte sie an längst vergangene Zeiten, als Lea noch Ritterromane gelesen und Lucia vom Morgenland geträumt hatte.
Aber fast noch im Eingang zum Zelt stand die Herzoginmutter und sprach mit einem großen, hageren Ritter. Beide wirkten gereizt. Anscheinend waren sie mitten in einer Auseinandersetzung. Der Ritter war kein Turnierteilnehmer; tatsächlich hatte Lucia ihn noch nie gesehen. Er war auch zu alt, um noch das Schwert zu schwingen. Sein Gesicht war faltig, und seine dunklen Augen hätten altersweise und gütig wirken können, wäre er jetzt nicht so sehr verärgert gewesen.
»Ihr könnt mir nicht verwehren, sie zu sehen! Sie ist meine Enkeltochter!«
Die Herzogin verdrehte die Augen. »Dafür gibt es keinerlei Beweis. Sie ist ein Bastard.«
»Und warum nennt Ihr sie dann eine von Bruckberg?«, fragte der Mann. »Es war mein Sohn, der das Mädchen verführte, das leugne ich nicht. Aber er hatte noch kein Gelübde abgelegt und war kein Priester. Warum also sollte er sie nicht geheiratet haben? Mein Sohn mag gefehlt haben, aber er war immer ein ehrenwerter Mann.«
»Deshalb starb er wohl auch am Galgen!«, höhnte die Herzogin. »Gebt es auf,
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