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Die Pestärztin

Titel: Die Pestärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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Und auch Lea wurde fündig. Sie angelte sich ein helleres Seidengespinst, das mit Goldfäden durchzogen war.
    »Das hier! Es sieht fast aus, als habe man die Sonne eingewebt! Wäre das nicht ein Brautschleier, der einer Prinzessin würdig ist?« Tatsächlich verlieh das Seidentuch ihrem Gesicht mehr Ausdruck, und das Gold ließ ihre Augen leuchten. Mit Lucias Glanz jedoch war es nicht annähernd vergleichbar. David konnte den Blick nicht von ihr wenden. Eifrig beförderte er einen weiteren Ballen Seide aus dem Vorrat seines Vaters und legte den dunkleren Stoff um Lucias Schultern.
    »Ein wunderschöner Kontrast! Wie schade, dass ihr euch nicht in die filigranen Gewänder der Haremskonkubinen kleiden könnt! Juda ben Eliasar, der gerade aus den maurischen Landen heimgekommen ist, erzählt wahre Wunderdinge. Die Frauen verdecken ihren ganzen Körper, das schreibt ihre Religion ihnen vor!«
    Davids bewundernder Blick streichelte Lucias schmale Gestalt in der blauen Seide. »Jetzt fehlt nur noch ein wenig Gold, Lucia! Die Göttin des Lichts auf ihrem Himmelsthron ...«
    Lucia errötete jetzt endgültig, während David goldgelbe Seide um ihre Taille schlang. Sie schämte sich für ihn. Ein Jude durfte nicht so lose Reden führen. Andererseits wärmten sie die Schmeicheleien. Und der Stoff war wunderschön.
    »David! Was soll das! Und ihr Lea ... Lucia! Ihr spielt hier mit den Waren wie Kinder, die deren Wert nicht kennen!«
    Sarah hatte ihre ziemlich unbefriedigende Unterhaltung mit dem Kontoristen beendet und war nun entsetzt von dem, was sie sah. Gut, David hatte das Mädchen nicht unzüchtig berührt, aber immer wieder dieses Herumtändeln! Und wie schön Lucia war ... Kein Wunder, wenn sie den Jungen den Kopf verdrehte! Zu schade, dass keiner der Lagerarbeiter für sie in Frage kam; sie waren alle entweder verheiratet oder noch keine dreizehn Jahre alt. Ansonsten hätte man ihm das Mädchen nur in diesem Aufzug präsentieren müssen. Er hätte sie auch ohne Mitgift genommen!
    »Leg das alles sofort zurück. Lucia. Wie kommst du dazu, es anzulangen? Und wickele es ordentlich auf, diese feinen Stoffe reißen leicht!«
    Lucia kämpfte mit den Tränen. Ihre Ziehmutter war ungerecht. Sie selbst hatte die Stoffe doch gar nicht angerührt!
    David schien ihr zu Hilfe kommen zu wollen, doch Lea mischte sich bereits ein.
    »Lucia hat nichts gemacht, Mutter. Es war meine Idee, Brautschleier auszuwählen. Und dieser blaue würde ihr wundervoll stehen, nicht wahr? Und der hier wäre was für mich ... was meinst du, Mutter? Oder wäre das unschicklich?«
    Sarah schmolz dahin, als sie Leas hübsches Gesicht unter dem zarten blaugoldenen Schleier sah. Eine traumhaft schöne Braut würde sie sein ...
    »Für dich ist das angemessen. Aber du, Lucia, wirst etwas Bescheideneres wählen müssen. Sofern wir dich überhaupt verheiraten können. Noch sehe ich da wenig Möglichkeiten. Vielleicht sollten wir dich erst mal irgendwo in Lohn geben ...«
    Lucia erschrak, ließ sich aber nichts anmerken. Geschickt legte sie die Seide zusammen, behielt den dunkelblauen Stoff aber noch bei sich und drapierte ihn um Leas Hüften.
    »Das wäre eine schöne Ergänzung zu dem Kopfschmuck, Lea«, sagte sie schüchtern. »Natürlich nur, wenn die Hochzeit im Sommer stattfände. Im Winter bräuchtest du ein Kleid aus Tuch.«
    »Oh, ich möchte eine Sommerbraut sein!« Lea wirbelte durch den Raum. »Und einen Kranz aus Blüten tragen. Wenn es nur schon so weit wäre, Lucia! Ach, ich sehne mich nach meinem Gatten!«
    Leas Augen nahmen einen verlangenden Ausdruck an, als wäre ihr der Zukünftige schon bekannt. Sarah musste unwillkürlich lachen. Ihre Tochter war entzückend - und sie würde erfreut sein über den Mann, den sie inzwischen für sie ausgewählt hatten. Die Speyers standen in Verhandlungen mit Eliasar ben Mose. Sein Sohn Juda war eben von seiner ersten großen Einkaufsreise zurückgekehrt. Er war ein junger, stattlicher Mann und einziger Erbe seines Vaters. Lea würde reich und glücklich sein. Und David würde man bald auf Reisen schicken.
    Sarah dachte nicht mehr an Lucia.
 
    Am Abend brachte sie das Thema jedoch vor ihrem Gatten zur Sprache. Lucia hatte wie an jedem Abend ganz selbstverständlich an ihrer Tafel gespeist und dabei ein paar Worte mit David gewechselt, der schon wieder dieses Leuchten im Blick hatte, das Sarah in Alarmzustand versetzte.
    »Das Mädchen verführt deinen Sohn vor unseren Augen. Hier muss etwas geschehen!«,

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