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Die Pestärztin

Titel: Die Pestärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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nicht, litten aber unter heftigem, blutigem Durchfall. Lucia hätte alles darum gegeben, in diesem stinkenden, stickigen Raum einen Durchzug zu schaffen, aber es gab keine Fenster, und nur die Tür zu öffnen half nicht viel. Inzwischen hatte sie auch das andere kleine Mädchen - Hildchen, wie sie sich erinnerte - auf einen Strohsack gebettet. Es fieberte hoch, zeigte aber wie Peterchen noch keine Pestbeulen. Dennoch starb es gegen Abend. Und auch Lucias Hoffnung für Peter bewahrheitete sich nicht. Bei Sonnenuntergang zeigten sich die ersten Schwellungen in der Leistengegend.
    Lucia hätte nun eigentlich zu den Wormsers zurückkehren müssen, konnte sich aber nicht entschließen, ihre Patienten zu verlassen. Sie atmete auf, als schließlich doch das Grietgen erschien.
    »Lucia, was machst du hier? Suchst das Trudchen? Da wirst kein Glück haben, die ist auf und davon! Sie sagt, die Mutter hätte die Pest im Haus, und da könnte man nur flüchten, alles andere hülfe nicht ...«
    Lucia fühlte brennendes Schuldbewusstsein. Wenn Trudchen weggelaufen war, hatte Agnes an diesem Tag niemanden gehabt, der ihr beistehen konnte.
    »Hör zu, Grietgen, ich hab deine Mutter und deine Brüder versorgt. Deine Schwestern sind tot. Aber jetzt muss ich fort, meine Herrschaft wartet. Ich komme in Teufels Küche, wenn ich länger wegbleibe. Zum Glück bist du ja nun da, und vielleicht schaffe ich es auch, nachher noch einmal vorbeizukommen und euch einen schmerzstillenden Tee zu bringen. Die Beulen schmerzen den Peter sehr, und die Küferin auch. Die ihren sind schon blau und grün ... Du hältst die Kranken einfach nur sauber und kochst eine Suppe, hörst du? Es sind ...«
    Lucia wollte gerade ausführen, dass sie noch ein paar Graupen, zwei Möhren und etwas Sellerie im Schrank der Küferin gefunden hatte, doch Grietgen unterbrach sie rüde.
    »Die Kranken waschen? Du bist wohl nicht bei Trost! Ich fass doch keinen Pestkranken an! Es weiß schließlich jeder, dass der Teufel dich dann holt. Nein, bleib weg von mir, Lucia! Du bist doch auch schon verdammt! Ich werde mich jetzt nicht mehr umsehen und ganz, ganz schnell von hier verschwinden ...«
    »Aber dies ist deine Mutter!«, erinnerte sie Lucia.
    »Ich werde für sie beten«, erklärte Grietgen. Damit verschwand sie beinahe im Laufschritt.
    Lucia warf ihren Patienten einen unschlüssigen Blick zu. Bleiben oder gehen? Sie flößte Volker und Peterchen noch einmal Wasser ein; die Küferin schluckte nicht mehr.
    Vielleicht, wenn sie bei den Karmeliterinnen vorbeiging ...? Ja, das war eine gute Idee. Die Schwestern pflegten Kranke; sie würden sich der Kinder annehmen.
    Trotz schlechten Gewissens schloss Lucia die Tür hinter sich. Sie war Agnes Wormser mehr verpflichtet als den Menschen in dieser Bude. Und wer wusste, ob es da überhaupt noch Hoffnung gab.
    Immerhin machte sie den nicht unbeträchtlichen Umweg zum Kloster der Karmeliterinnen. Vor der vergitterten Fensteröffnung, die ein Gespräch mit der Pförtnerin erlaubte, standen bereits einige Menschen und warteten darauf, an die Reihe zu kommen. Anscheinend hatten sie alle pflegebedürftige Angehörige.
    »Aber ich kann sie nicht selbst pflegen, mein Mann erlaubt es mir nicht ...«, schluchzte eine Frau, die eben vorsprach. Sie wandte sich tränenüberströmt ab, als die Pförtnerin sie offenbar trotzdem ablehnend beschied.
    Auch der Mann, der nach ihr kam, wurde weggeschickt.
    »Ihr könnt Eure Lieben durchaus selbst pflegen, Meister, das wird Eure Männlichkeit nicht berühren. Morgen werde ich Euch eine Schwester mit einem stärkenden Trank vorbeischicken, aber heute sind alle beschäftigt.«
    Auch für Lucia hatte die Pförtnerin, eine ältere Nonne mit strengem Gesicht, nur ein paar tröstende Worte.
    »Du hast deine Christenpflicht getan, indem du dich um die Leute gekümmert hast«, erklärte sie halbwegs freundlich. »Geh nun zurück zu deiner Herrschaft, und bete zu Gott. Er ist doch immer noch der beste Arzt, und so der Heiland will, wirst du deine Pfleglinge morgen gesund vorfinden.«
    Den Glauben an diese Geschichten hatte Lucia schon vor Jahren in einer Kapelle in St. Quintin verloren! Dennoch dankte sie der Schwester und machte sich nun wirklich im Laufschritt auf den Weg zu den Wormsers.
    Johann öffnete ihr mit bleichem Gesicht die Tür.
    »Lucia, wo bleibst du denn? Und das Trudchen ist auch weggelaufen! Dabei weiß ich nicht mehr ein noch aus. Die Agnes bekommt ihr Kindchen, und die Hebamme ist krank. Ich

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