Die Pestglocke
weitere Entwicklung beunruhigen sollte.
»Ich habe mir das Stück bisher noch nicht richtig angesehen, deshalb kann ich Ihnen nicht viel darüber sagen«, fuhr ich fort. »Aber ich habe veranlasst, dass es zur Aufbewahrung ins Heritage Centre gebracht wird, wenn Sie einverstanden sind.«
Usher runzelte die Stirn. »Äh ... ich denke schon.«
»Das Nationalmuseum wird die Statue natürlich in Besitz nehmen. Aber da ich es noch nicht verständigt habe, wird das erst nach dem Wochenende passieren. In der Zwischenzeit halte ich es für das Beste, wenn außer mir niemand einen Schlüssel zum Zentrum hat.«
»Wenn keine Veranstaltung stattfindet, ist es normalerweise abgesperrt, selbst wenn die Bibliothek geöffnet ist.«
»Ich weiß. Aber ich müsste jederzeit Zugang dazu haben. Außerdem wäre es nicht fair, dem Bibliothekspersonal die Verantwortung für den Fund aufzubürden.«
»Also gut, ich sage ihnen Bescheid.« Er schaute wieder auf die Uhr. »Am besten, wir bringen diese Übergabe hinter uns.« Er hatte die Dokumente auf dem Schreibtisch liegen. Meine Unterschrift auf einem davon würde das Grundstück zur Bebauung freigeben. Seine Unterschrift auf dem anderen würde bestätigen, dass die Stadt nun das Gelände in ihre Zuständigkeit übernahm.
»So, das wär's, Dominic. Jetzt können Sie Ihren Kreisverkehr bauen«, sagte ich und schob ihm das Formular hinüber.
Er hob es auf, lehnte sich zurück und tippte mit dem Mittelfinger darauf. Er wollte offenbar etwas loswerden. »Ist es nicht trotzdem eine tolle Sache für Leute wie Sie?«, sagte er.
»Wen meinen Sie mit ›Leute wie mich‹?«
»Archäologen. Auf der einen Seite beschwert ihr euch über Erschließung von Land. Auf der anderen holt ihr dabei alles heraus, was nur geht.«
Usher mochte einen Minderwertigkeitskomplex in Bezug auf Leute haben, die sich seiner Ansicht nach über ihren Stand erhoben, aber er war normalerweise nicht so unverblümt grob. Das konnte ich mir nicht bieten lassen, und ich wollte ihm gerade eine scharfe Antwort geben, da läutete sein Telefon. Als er den Hörer abnahm, schob er eine Zeitung beiseite, die ihm den Blick auf seinen Kalender verdeckte. Ich erkannte die Titelseite des Boulevardblatts Ireland Today und sah, dass die Ausgabe zwei Wochen alt war. Jetzt wusste ich, was den Verwaltungsmann so provoziert hatte.
In der Folge eines Vortrags über die Ausstellung, den ich im Heritage Centre gehalten hatte, hatte ein Journalist von Ireland Today in einem Artikel geschrieben, ich hätte »kurzsichtige« Beamte der Stadtverwaltung kritisiert, weil sie den Friedhof zugunsten eines Kreisverkehrs zerstörten, und ich sei gegen eine weitere Entwicklung Castleboynes.
Usher legte auf und trug etwas in seinen Kalender ein.
»Wenn Sie mir das nächste Mal eine vor den Latz knallen wollen, sollten Sie vielleicht vorher Ihre Fakten überprüfen«, sagte ich.
»Wovon reden Sie?«
»Sie haben gerade eine Bemerkung gemacht, die ohne Frage auf einem angeblichen Zitat von mir in dieser Zeitung beruht. In einem Artikel von Darren Byrne.«
»Streiten Sie ab, es gesagt zu haben?«
»Ich wurde gefragt, wie viel von Castleboyne ich gern noch ausgraben würde. Ich sagte, eine Ausgrabung sei eine Form wissenschaftlicher Zerstörung und nicht die einzige Möglichkeit, über die Archäologen und Stadtplaner verfügten. Ich fügte an, ich würde Castleboyne ungern von einem Ende zum anderen umgepflügt sehen, auch nicht von Archäologen, wenn es nur darum ginge, den Ort in eine weitere Shopping Mall zu verwandeln. Ich habe mich weder gegen die Zerstörung des Friedhofs ausgesprochen noch irgendwelche Behördenvertreter kritisiert oder den Ausdruck ›kurzsichtig‹ gebraucht. Byrne hat es so hingestellt, um Unfrieden zu stiften, und wie es aussieht, ist ihm das geglückt.«
»Es klingt immer noch so, als würden Sie ganz gern die Hand beißen, die Sie nährt.«
»Sicher, aber ich versuche, kein Blut fließen zu lassen. Ich bin mir völlig darüber im Klaren, dass mir die sogenannte ›Entwicklung‹ meinen Lebensunterhalt sichert. Aber ich denke, das sollte mich nicht davon abhalten, mich gegen die Aushöhlung der besten Seiten meiner Heimatstadt zu wenden -der Züge, die sie einzigartig machen. Ich bin nicht gegen Veränderung an sich – niemand weiß besser als Archäologen, dass Menschen schon immer das Landschaftsbild verändert haben. Wogegen ich jedoch bin, ist, dafür zu werben, in die historische Stadt Castleboyne mit ihrem
Weitere Kostenlose Bücher