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Die Pestglocke

Die Pestglocke

Titel: Die Pestglocke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Dunne
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Friedhöfen versteckt wurden«, ließ Muriel nicht locker. »Außerdem fielen Friedhöfe nicht unter die Zuständigkeit der zivilen Behörden, was vielleicht ein Hinweis ist. Die Statue könnte zu der Zeit, als die Klöster abgeschafft wurden, dort in Sicherheit gebracht worden sein. Und da es sich um einen Pestfriedhof handelte, wurde die Angst vor Ansteckung möglicherweise als zusätzliche Abschreckung für Diebe genutzt.«
    »Es gibt noch eine andere Erklärung für das frische Aussehen«, sagte ich. »Nämlich dass sie eine Fälschung ist.«
    Muriel dachte einen Moment darüber nach. »Das glaube ich nicht«, sagte sie schließlich. »Und paradoxerweise ist es der unverfälschte Zustand, der uns darüber Auskunft gibt. Ein Fälscher würde versuchen, Abnutzungsspuren einzubauen, der Oberfläche Patina geben, Schmutz in die Haarrisse reiben und so weiter. Nein, ich glaube, sie ist echt. Bestätigt die alte Weisheit, dass die besten Funde immer am letzten Tag einer Ausgrabung zum Vorschein kommen.«
    »Und nie dort, wo man danach gesucht hat«, ergänzte ich. »Es stimmt, dass die Haarrisse der einzige Hinweis auf ein hohes Alter sind, und warum sollte sich jemand die Mühe machen, diese zu fälschen und nicht gleich noch mehr? Außerdem hätten wir mehr Grund zu Misstrauen, wenn die Statue aus dem Nichts aufgetaucht und dem Museum zum Kauf angeboten worden wäre. Aber wir können beweisen, dass sie aus einer Gruft geborgen wurde, wo sie neben einem Leichnam begraben gewesen war, der seit beträchtlicher Zeit vor sich hin rottet. Letzten Endes werden wir uns wohl auf die Wissenschaft verlassen müssen. Und dessen eingedenk, habe ich Ihnen etwas per Kurier geschickt – es müsste in Kürze eintreffen. Es ist ein Stück Gips von einem der Blumenornamente in der Krone, das versehentlich abgebrochen wurde, als meine Leute die Statue aus dem Sarg hoben. Es müsste möglich sein, es nach der Radiokarbonmethode zu datieren, da der Gips höchstwahrscheinlich Tierleim enthält. Das wird sich wahrscheinlich ein bisschen hinziehen, aber inzwischen würde ich den Gips gern analysieren lassen, um zu sehen, ob er auf Kalkbasis hergestellt wurde – damit erhalten wir einen weiteren Hinweis auf die Herkunft der Statue.«
    »Ich kann mir immer noch nicht vorstellen, warum sie in einem Bleisarg verschlossen wurde.«
    »Außer dass man sie auf diese Weise konservieren wollte, fällt mir auch nichts ein.«
    »Jedenfalls habe ich die Absicht, sie auch weiterhin zu konservieren. Und was das angeht, sind wir die Experten. Ihr Gemeindepfarrer müsste eine klimageregelte Umgebung bauen lassen, um sie unterzubringen. Ich bezweifle, dass er seine Schäfchen dazu überreden könnte, für so etwas in die Taschen zu greifen.«
    Ich würde es ihm zutrauen, dachte ich. »Aber die Situation ist schon ungewöhnlich«, sagte ich. »Die meisten Streitigkeiten über die Eigentumsrechte an historischen Kunstgegenständen haben damit zu tun, dass sie an den Ort zurückgebracht werden sollen, woher sie stammen. Dieser hier hat ihn noch nicht einmal verlassen.«
    »Das wird so schnell wie möglich geschehen. Ich weiß, es ist noch nicht fünf Uhr, aber das Personal, das ich brauche, ist bereits nicht mehr im Büro, und ich kann die Leute nicht erreichen.« Carpe diem lautet das Motto für schöne Sommerabende in Irland, vor allem zu Beginn des Wochenendes. »Ich schicke gleich Montagmorgen jemanden runter zu Ihnen. Sorgen Sie inzwischen dafür, dass die Statue sicher aufbewahrt wird. Jetzt nur noch eines – auf einem der Fotos sieht man etwas, das wie ein Spalt in der Vorderseite ihres Kleides aussieht – ist das Holz gesprungen?«
    »Ich glaube, an dieser Stelle wurden zwei große Teile der Skulptur zusammengefügt. Durch das anschließende Trocknen ist die Lücke entstanden.«
    »Ein Grund mehr, sie richtig konservieren zu lassen.«
    »Natürlich. Fürs Erste bewahren wir sie in einem unbeleuchteten, klimatisiertem Raum auf.«
    »In so einem wäre ich jetzt auch gern – es ist heiß hier im Büro«, sagte sie.
    »Hier auch«, erwiderte ich. »Ich denke, ich werde mir eine kühle Dusche genehmigen. Schönes Wochenende, Muriel.«
    Erst als ich aufgelegt hatte, fiel mir ein, dass wir gar nicht über die sterblichen Überreste in dem anderen Sarg gesprochen hatten und in welchem Zusammenhang sie zu der Statue stehen könnten. Und bei genauerem Nachdenken fragte ich mich, ob wir die Schnitzerei überhaupt hätten entfernen und anfassen sollen, ehe wir

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