Die Pestglocke
Eindämmung zu ergreifen. Heutzutage werden ganze Länder praktisch isoliert, wenn eine neue Seuche auftaucht, und das sogar, wenn die Todesrate gering ist. Wenn also eine unbekannte Infektion in der Nähe eines Pestfriedhofs ausbricht, wird man im staatlichen Gesundheitswesen sehr nervös. So, und jetzt muss ich gehen.« Sie drehte sich um und machte sich auf den Weg zurück zur Schwesternstation.
Ich war versucht, sie nach Namen und Adressen der anderen Jungen zu fragen, aber Cora stand schon genug unter Druck. »Ich habe Leute im Wartezimmer gesehen. Sind das Angehörige?«
»Das sind seine Eltern.«
»Seine Eltern? Gott, sie sind noch so jung.«
»Und nicht sehr verantwortungsbewusst, fürchte ich. Stephen war in der Nacht von Freitag auf Samstag bis nach Mitternacht mit seinen Freunden draußen unterwegs. Und nicht nur das, gestern sind die beiden zur Mittagszeit ins Pub gegangen und haben fast den ganzen Tag dort getrunken. Sie haben Stephen in der Obhut seiner Schwester gelassen, die gerade mal ein Jahr älter ist als er.«
»Könnte ich kurz mit ihnen reden?«
»Da würde ich Vorsicht anraten«, sagte Cora.
»Wissen Sie, wie krank er ist?«
»Ja. Aber das ist es nicht – es ist … na, du wirst ja selbst sehen.«
17. Kapitel
S ie sind also die Schlampe, die unser Kind vergiftet hat?«, machte sich Stephens Mutter Luft, sobald ich mich vorgestellt hatte und versuchte, ihr und ihrem Mann Kevin mein Mitgefühl zu versichern.
»Nun ja, ich ...« Ich stand im Eingang zum Wartezimmer, wo die beiden saßen.
»Beruhige dich, Tracy.« Bolton legte die Arme um sie, aber sie stieß ihn weg und starrte reglos ins Leere. »Meine Frau ist total durcheinander. Was für einen Scheißladen führen Sie eigentlich, dass Sie Giftmüll an so einem Ort herumliegen lassen?«
»Wir haben Warnschilder aufgestellt«, sagte ich zaghaft und wünschte, ich hätte mich davon überzeugt. »Glauben Sie mir, was mit Stephen passiert ist, tut mir leid. Und es ist sehr wichtig, dass wir genau herausfinden, wie er sich angesteckt hat, damit wir andere retten können.«
Tracy Bolton gab ihre starre Haltung auf und sah mich an. »Andere? Was scheren mich andere?« Sie schlug die Hände vors Gesicht und heulte: »Ich will meinen Sohn wiederhaben!«
Gott vergebe mir, aber mir ging durch den Kopf, dass sie zu viele Seifenopern im Fernsehen schaute. Es wäre einfacher gewesen, mit dem Vater allein zu reden, aber im Augenblick konnte ich nichts anderes tun, als meine Fragen direkt an ihn zu richten anstatt an sie.
»Wo wohnen Sie, Mr. Bolton?«
»Abbey Fields.«
»Das liegt am anderen Ende der Stadt als der Friedhof in den Maudlins. Wissen Sie genau, dass Stephen am Freitagabend dort gespielt hat?«
»Ja, er sagte, sie hätten Zombies gespielt, die aus den Gräbern gestiegen sind.«
»Und sie waren in dem abgesperrten Bereich? Hat er das gesagt?«
Er sah mich argwöhnisch an. »Wollen Sie behaupten, dass Stephen selbst schuld war? Sodass wir keine Entschädigung bekommen? Legen Sie es darauf an?«
»Nein, darum geht es nicht. Können Sie mir sagen, wer noch mitgespielt hat?«
»Woher soll ich das wissen? Seine Freunde vermutlich.«
»Und wer sind die?«
»Ken Reilly, der zwei Türen weiter wohnt. Jason Long aus der Spielhallenpassage oben in der Stadt. Dann hängt immer noch so ein Schwarzer mit ihnen herum, Aje oder so ähnlich. Wohnt in dem Block gegenüber von uns.«
»Hey!« Tracy Bolton sprang auf und stellte sich zwischen mich und ihren Mann. »Es geht Sie einen Scheißdreck an, mit wem mein Sohn gespielt hat«, plärrte sie mir ins Gesicht. Ihr Atem roch nach Alkohol und Zigarettenrauch. Dann drehte sie sich zu ihrem Mann um. »Und du halt den Mund! Die führt garantiert irgendwas im Schild hier.« Sie sank wieder auf die Bank und verschränkte wütend die Arme.
»An Ihrer Stelle würde ich jetzt gehen«, sagte Bolton zu mir. »Sie hätten erst gar nicht kommen sollen.«
»Es tut mir leid«, sagte ich und streckte ihm die Hand entgegen, aber er ignorierte sie und legte die Arme um seine Frau.
Bis ich alle drei Spielkameraden von Stephen Bolton aufgespürt hatte, begann es dunkel zu werden. Jason Long und Ken Reilly waren nicht zu Hause und auch nicht auf der Straße vor Kens Haus zu finden; aber mit der Hilfe zahlreicher Informanten – hauptsächlich Mädchen – entdeckte ich sie am Rand eines gestrüppreichen Waldstücks, das an die Siedlung Abbey Fields grenzte. Sie saßen in ihren grauen und leicht verdreckten
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