Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Pestglocke

Die Pestglocke

Titel: Die Pestglocke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Dunne
Vom Netzwerk:
mit Silberkämmen hoch und legte Ohrringe aus Lapislazuli und eine passende Perlenhalskette an. Da ich keine Handtasche besaß, die dazu passte, schlich ich zu meiner Mutter hinüber und lieh mir eine dunkelblaue Lederhandtasche aus.
    Beim Blick in den Spiegel fragte ich mich, was mich dazu trieb, so zu handeln. War es der Gegensatz zwischen Finians Vorsicht und Groots Draufgängertum? Groot hatte eindeutig etwas in mir entfacht. Ich würde aufpassen müssen, dass es nicht außer Kontrolle geriet.
    Als uns das Taxi vor dem Restaurant absetzte, bemerkte ich, dass der Parkplatz praktisch voll war, und als man uns sofort einen Tisch anbot, dessen Reservierung abgesagt worden war, griffen wir zu. Das hieß, wir hatten keine Gelegenheit, vorher an der Bar zu sitzen und zu reden, aber ich beschwerte mich nicht. Der warme Abend beeinträchtigte meinen Appetit nicht. Ehe Groot sich setzte, kam ich endlich dazu, seine Aufmachung in Augenschein zu nehmen. Er trug ein leichtes, avocadogrünes Sakko mit einem hellgelben Hemd – eine Kombination, die sein gebräuntes Gesicht betonte -, eine cremefarbene Leinenhose und Slipper aus sehr weichem, gelbem Leder. Sie waren wahrscheinlich aus der Haut einer Babygazelle gefertigt, aber ich wollte nicht fragen.
    Groot bestellte geräucherten Wildlachs mit Kapern und Sodabrot als Vorspeise, ich entschied mich für Aal-Speck-Spieße, und als Hauptgang wählten wir beide gebratenen Hecht, gefüllt mit Süßwasserkrebsen in einer Sahnesauce. Wir besprachen die Weinliste eine Weile und entschieden uns für einen Albanino aus Galizien, da er zur Sahnesauce passen würde und aus einem regnerischen Klima stammte, was ihn zum idealen Begleiter für Hecht machte -ein Schluss, zu dem wir in einer nicht ganz ernst gemeinten logischen Folgerung gelangten. Und wir nahmen beide ein Glas Sherry als Aperitif.
    Groot hob sein Sherryglas, und ich tat es ihm gleich. »Auf Ihre wunderschönen Augen«, sagte er. »Aber erst müssen Sie wählen – haben sie die Farbe von afrikanischen Lilien oder Kap-Bleiwurz?«
    »Das zweite klingt wie etwas, das ich nicht unbedingt essen würde.«
    »Es ist eine sehr schöne, kreideblaue Blume -der Ton, den Ihre Augen annehmen, wenn Sie lächeln.«
    »Sie kennen sich wohl aus mit Blumen?«
    »Psst. Verraten Sie es Finian nicht.«
    Ich lachte. »Okay, dann nehme ich den Bleiwurz.«
    »Wäre auch meine Wahl«, sagte er.
    Wir tranken einen Schluck.
    »Die Augen einer richtigen keltischen Schönheit müsste man natürlich mit einer anderen irischen Blume vergleichen, die einen gleichermaßen seltsamen Namen trägt«, sagte ich. »Der Natternkopf -er wächst wild hier. Aber ich muss Sie warnen, er ist ein bisschen stachlig.«
    Groot lächelte. Der Kellner kam mit unseren Vorspeisen. Nachdem Groot etwas Zitronensaft auf seinen Räucherlachs geträufelt hatte, schlug ich vor, dass er noch schwarzen Pfeffer darüber mahlen sollte.
    »Mm ... bringt das Aroma gut zur Geltung. Die Iren dürften sich ganz gut auskennen mit Lachs, oder? Er spielt eine wichtige Rolle in der keltischen Mythologie, soviel ich weiß.«
    »Als ein Symbol des Wissens, ja. Tatsächlich lebte der legendäre Lachs der Erkenntnis in dem Fluss, der genau an diesem Restaurant vorbeifließt. Der berühmte Krieger Finn McCool erwarb die Gabe der Erkenntnis und der Zukunftsschau, weil er sich aus Versehen den Daumen an einem Lachs verbrannte, den er zubereitete, und den Daumen dann in den Mund steckte.«
    Groot stieß seinen Lachs mit dem Finger an und hielt ihn dann in die Höhe. »Wenn ich jetzt daran schlecke, habe ich dann prophetische Kräfte?«
    »Das bezweifle ich doch sehr. Überhaupt symbolisiert der Lachs heutzutage wohl eher einen Mangel an Weitblick.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Für mich steht er für die Art, wie wir die Meere und Flüsse misshandeln. Die wilden Lachse werden erst mit Treibnetzen im Atlantik gejagt, danach müssen sie durch die Schleppnetze vor den Flussmündungen kommen, und dann warten Angler, Wilderer und Umweltverschmutzung ... und wenn man schlussendlich einen zu essen bekommt, dann schmeckt er nach Aussage von Arthur Shaw nicht so gut wie in seiner Jugend. Aber wenn man andererseits die Zuchtvariante isst, so fehlt ihnen nicht nur jegliches Aroma, sondern man läuft auch noch Gefahr, sich mit Dioxinen und PCB zu vergiften, sobald man mehr als ein paar Bissen pro Woche zu sich nimmt. Hey – aber lassen Sie sich bloß nicht den Appetit verderben.«
    Er lachte. »Keine Angst«,

Weitere Kostenlose Bücher