Die Pestglocke
sie ihre letzten Jahre verbrachte, um Buße für seine Sünden zu tun.«
»So, so. Ich muss sagen, mir gefällt es, wie sich der Kreis hier schließt. Ich glaube, Maurice Tuite und die Statue endeten Seite an Seite in Bleisärgen in einer Gruft, alles bezahlt von den Pilgern, die er so gern ausraubte.«
Finian zupfte wieder an seinem Bart. »Erklär es mir bitte noch mal langsam.«
»Maurice Tuite raubte kranke Pilger aus, die den Schrein in Castleboyne besuchten, wahrscheinlich im Krankenhaus der Magdalenerinnen, wo die schwächsten von ihnen während ihres Aufenthalts gepflegt wurden. Es könnte sogar durchaus sein, dass er einige von ihnen ermordet hat – dergleichen geschieht auch heute noch, wie man weiß, aber damals hatten sie nicht die wissenschaftlichen Mittel, es zu beweisen. Ich vermute, er hat einen Teil des gestohlenen Geldes dafür verwendet, eine Gruft bauen zu lassen und zwei Bleisärge für sich und seine Frau anzuschaffen. Damals wurde das eigene Grabmahl oder Mausoleum gerade zu einem Mittel, seinen Platz in der Welt auszudrücken. Als man ihn schließlich der Beraubung von Pilgern schuldig sprach – in einer Phase, in der sie wahrscheinlich mehr Geld als sonst mitbrachten, um zum Projekt des Bischofs für das Heilige Jahr beizusteuern -, wurde das Verbrechen als so scheußlich angesehen, dass man ihn nicht nur zum Hungertod verurteilte, sondern auch noch einen Hund mit ihm begrub. Und seine Frau – vermutlich, weil man sie der Beihilfe verdächtigte – wurde in ein Kloster gezwungen, wo sie den Rest ihres Lebens verbrachte und begraben wurde, sodass sie in keiner Weise von seinem Diebstahl profitieren konnte.
Wer immer von Joan Mortimer den Auftrag bekam, die Statue zu verstecken, wusste davon und beschloss, sich den leeren Sarg in der Gruft zunutze zu machen. Er oder sie brach ein, legte die Statue hinein und verschloss die Gruft wieder. Damit war ein zusätzlicher Sicherheitseffekt verbunden – der Friedhof war ein verbotener Ort, und dazu kam das Tabu des Tierbegräbnisses, das schließlich in deine Legende von Lady Death mit hineinspielte.«
»Der Höllenhund?«
»Genau. Und möglicherweise hatte die Statue etwas mit der Rolle von Lady Death in der Geschichte zu tun. Was wir nie erfahren werden, ist, ob die Absicht bestand, die Statue später wieder zu holen, oder ob man sie absichtlich dort ließ. Aber wir können davon ausgehen, dass sie mit der Zeit vergessen wurde, bis auf eine Reihe von Symbolen, die als Hinweis immer weitergegeben wurden.«
»Und der Hauptschatz?«
»Könnte sein, dass er irgendwo in der alten Kathedrale begraben wurde – was mit der Legende in Einklang stünde – und dass das Fenster in der Kirche es uns verrät.«
»Hm … diese Symbole. Da gibt es etwas, was nicht ganz passt – vorausgesetzt, dass alles zu der Zeit stattfand, die du annimmst. Das ist die Schachbrettblume, die Lazarusglocke. Es ist unwahrscheinlich, dass sie zu jener Zeit hier wuchs. Ich glaube nicht, dass sie vor dem 16. Jahrhundert auf diesen Inseln eingeführt wurde. Wer immer sich also diesen Hinweis ausgedacht hat, tat es lange, nachdem die Statue versteckt worden war.«
»Miss Duignan! Laut Pfarrer Burke war sie die Wohltäterin, die das Geld für das Fenster zur Verfügung stellte, und sie war das letzte überlebende Mitglied einer alten Familie aus Castleboyne. Sie könnte die Hinweise erfunden haben.«
»Das würde bedeuten, sie wusste, wo alles versteckt war. Aber wusste sie auch, was versteckt war?«
»Vielleicht nicht. Aber sie wusste, das Geheimnis würde mit ihr ins Grab gehen, wenn sie nicht ein paar Hinweise zurückließ. Deshalb hat sie für das Fenster bezahlt, das der Muttergottes von Castleboyne geweiht ist – es war ein angemessener Ort für die Symbole, und als Spenderin konnte sie darauf bestehen, dass diese im Entwurf des Rosettenfensters enthalten waren.«
»Also, rekapitulieren wir: Du glaubst, bei der Statue im Sarg handelt es sich um einen Reliquienschrein, der etwa zur Zeit des Schwarzen Todes zu Aufruhr in der Stadt geführt hat und aus diesem Grund nie in einer Kirche aufgestellt wurde, sondern in einer Gruft der Magdalenenkapelle versteckt, in einem Sarg, der eigentlich für die Frau des Guardian gedacht war. Gleichzeitig wurde der ›Hauptschatz‹ des Schreins versteckt. Beide Unternehmungen standen unter der Leitung von Joan Mortimer. Dann kam der Schwarze Tod, und alles geriet in Vergessenheit. Zur Reformationszeit wurde das originale Bildnis
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