Die Pestmagd
begabter Maler all das Blau und Gold für sie verschwendet, das auf frommen Bildern sonst allein der Gottesmutter gebührte.
Bela schüttelte den Kopf.
» Was ist es dann?«, fragte er weiter.
» Ich bin es leid«, stieß sie hervor. » Gründlich leid, kapierst du? All diese Männer, all diese Vorlieben, all das, was sie von mir verlangen! Ich will nur noch einem gehören. Einem, der mich versteht und zum Lachen bringt. Einem, der mich so liebt, wie ich bin.« In ihren großen Augen schimmerten ungeweinte Tränen.
Wie lange hatte er auf diesen Augenblick gewartet!
Die Pillen des Glücks ließen das Blut in seinen Adern rauschen. Sein Kopf wurde leicht und frei.
» All das wird in Erfüllung gehen, meine Prinzessin«, flüsterte er, bevor er sich eiligst aus der Hose schälte. Sie schien gar nicht zu merken, was er tat, sondern starrte die Wand an. » Nein, meine Königin! Jetzt bin ich ja bei dir – ich, dein König.«
Mit diesen Worten warf er sich auf sie.
Bela schien aus einem Traum zu erwachen und versetzte ihm eine schallende Ohrfeige.
» Bist du verrückt geworden?«, rief sie. » Du zerquetschst mich ja!«
Verdutzt hielt er inne, dann aber begriff er. Das war wohl der Auftakt zu einem neuen Spiel, noch köstlicher und aufregender als alles, was er bisher kannte.
» Ja, schlag mich, meine Schöne!«, rief er. » Kratz mich, beiß mich – und ich werde dich im Gegenzug lieben, bis dir die Sinne vergehen!«
» Damit?«, sagte Bela mit einer kratzigen Stimme, die er noch nie von ihr gehört hatte. Es klang abfällig und ernüchterte ihn jäh.
Hennes schaute an sich hinunter. Sein Geschlecht war schlaff wie ein Stück Schweinsdarm.
» Mach ihn wieder munter!«, sagte er und verachtete sich dafür, dass es kläglich klang. » Keine andere als du weiß besser, wie das geht.«
Sie beugte sich über ihn.
Genießerisch schloss er die Augen. Gleich würde er ihre weichen, vollen Lippen spüren, die sich um sein Geschlecht schlossen …
Stattdessen biss sie kräftig zu.
Mit einem Schmerzensschrei packte er sie bei den Haaren und riss sie weg.
» Das machst du nie wieder!«, schrie er. » Das wirst du niemals wieder wagen …«
Das Wort blieb ihm in der Kehle stecken, als plötzlich die Tür aufging und Ita auf der Schwelle stand.
» Hennes?«, sagte sie. » Bist du das? Mir war so, als hätte ich dich soeben gehört.«
Unter ihrem unbarmherzigen Blick schien sein Selbst immer weiter zu schrumpfen, bis er sich nur noch schmutzig und hässlich fühlte.
» Hat sie dich verletzt?«, fragte Ita weiter. » Sie ist kein gutes Mädchen. Ich dachte, das wüsstest du.«
In diesem Moment begann er, sie zu hassen.
x
Er hatte Nele zum ersten Mal geküsst, bevor er sich auf den Weg zum Pesthaus machte. Er musste sich hochstemmen, was viel Kraft kostete, doch diese Belohnung war jede Anstrengung wert. Es wurde kein langer Kuss, aber ein inniger, weil das Gitter des Backhauses sie trennte. Das Mädchen war seit ein paar Tagen hier eingesperrt, da es im alten Badehaus zu feucht geworden war. Nur so wenig von ihr berühren zu können machte sie noch kostbarer für ihn.
Denn das war sie inzwischen für ihn: kostbar.
» Du zitterst ja«, sagte er, als er wieder unten stand und zu ihr hinaufschaute. » Du wirst noch krank werden. Ich hasse sie dafür, was sie mit dir anstellen.«
» Ich kann gar nicht krank werden.« Nele deutete auf das Amulett, das um ihren Hals hing. » Dafür hast du doch gesorgt! Außerdem hält der Ofen mich warm. Pass lieber auf dich auf!« Ihre Stimme veränderte sich. » Wann werden wir endlich aufbrechen? Ich kann den Schnee schon riechen.«
» Bald«, sagte die Krähe. » Bald.«
» Solange es warm ist, denkt man, es würde immer Sommer bleiben«, fuhr sie fort. » Geht es dir auch so?«
Er nickte.
An diese Hoffnung hatte er sich geklammert, wenn er mit dem Alten unterwegs war, bis der nächste Winter sie überraschte. Er war oft krank gewesen in den ersten Jahren ohne festes Dach über dem Kopf, hatte gehustet, gefiebert und rote Pusteln auf dem ganzen Körper gehabt, die gejuckt hatten, dass er sich kratzen musste, als wollte er sich die Haut in Fetzen abreißen, von den Wanzen, Flöhen und Läusen, die ihre ständigen Begleiter gewesen waren, ganz zu schweigen.
Der Alte hatte nur gelacht, wenn er weinte, jammerte oder stöhnte.
» Das härtet ab, mein Kleiner«, hatte er gesagt. » Eines Tages wirst du mir noch dankbar dafür sein.«
So dankbar, dass ich dich im Fluss
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