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Die Pestmagd

Titel: Die Pestmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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beerdigt habe, dachte die Krähe grimmig. In einem kalten, tiefen Grab, aus dem du niemals wieder auferstehen wirst.
    » Jakob?«, hörte er sie rufen. » Was ist mit dir? Du siehst auf einmal so anders aus!«
    Seinen alten Namen zu hören traf ihn immer noch wie ein Pfeil. Der Alte hatte ihn » Kleiner« genannt, auch noch, als er ihm nach einem langen Sommer über den Kopf gewachsen war. Später dann war er nur noch die Krähe gewesen. Die Art, wie Nele seinen Namen sagte, so eindringlich und besorgt, stieß eine Tür in ihm auf, die lange verriegelt gewesen war.
    Plötzlich hatte er ihn wieder in der Nase, jenen feinen, weichen Geruch, mit dem seine frühesten Erinnerungen verbunden waren, und er konnte spüren, wie etwas seine Wange kitzelte – ein geflochtener Zopf, der im Sonnenlicht wie gesponnenes Gold schimmerte …
    Er hatte sie noch immer nicht gefunden; alle Badehäuser der Stadt waren inzwischen geschlossen. Und keine Hinrichtung war angesetzt, das hatte er auch herausbekommen.
    Wohin war sie verschwunden?
    » Jakob?«, sagte Nele. » Wo bist du?«
    » Hier«, sagte er. » Aber ich muss jetzt los, sonst bekomme ich Ärger.« Das Bündel, das er auf dem Boden abgelegt hatte, erhielt einen Fußtritt. Und dann sollte er ja auch noch diesen grässlichen Leiterwagen mitnehmen. Er hasste es, unnützes Zeug mit sich herumzuschleppen, aber sie hatten ihm eingeschärft, dass er sich schützen müsse, während er den Auftrag erledigte. Dieses Mal hatte er nicht wegrennen können, denn er wollte Nele nicht gefährden.
    » Du gehst ins Pesthaus und raffst so viel von der schmutzigen Wäsche zusammen, wie du nur kannst!«, hatte Christian befohlen, während Ruch schweigend und finster daneben stand. » Und dann bringst du alles hierher – auf dem schnellsten Weg!«
    » Warum machst du es nicht selbst?«, hatte er aufbegehrt. » Zu feige dazu?«
    » Sollen wir deine kleine Freundin die Nacht über an einen Baum binden, damit Luchse und Wölfe sich in Ruhe bedienen können? Noch ein einziges Widerwort, und wir beginnen gleich damit!«
    Unwillkürlich hatte er nach dem Messer getastet, das inzwischen zu seinem besten Freund geworden war. Weder Christian noch Ruch wussten, wie geschickt er damit umzugehen wusste. Wenn sie ihn weiterhin drangsalierten, konnten sie allerdings schnell eines Besseren belehrt werden. Doch jetzt gab es ja Nele, auf die er aufpassen musste. Das Messer würde vorerst an Ort und Stelle bleiben.
    » Und wie soll ich da hineinkommen?«, lautete seine letzte Frage.
    » Bist doch sonst immer so schlau.« Ruch bleckte seine langen gelblichen Zähne. » Dir wird schon das Richtige einfallen. Notfalls mimst du halt den Kranken! Nimm einen Klumpen Dreck und schmier ihn dir unter die Achseln – dann müssen sie dich aufnehmen.«
    » Du bist zurück, bevor es dunkel wird«, hatte Christian hinzugefügt. » Sonst weißt du ja, was geschieht.«
    Ob ihnen der Rheinmeister diesen Wahnsinn in den Schädel gesetzt hatte? Er war nach ihm im Hurenhaus gewesen, sicherlich wieder, um Bela zu besuchen. Sie hasste diesen Neuhaus inzwischen, weil er sich aufführte, als sei sie sein Besitz, das hatte sie ihm gestanden, und doch musste sie ihm doch zu Willen sein, wenn er dafür bezahlte.
    Geweint hatte sie sogar, was der Krähe jenen Mann noch widerlicher erscheinen ließ. Die Bande war nichts als ein Haufen Handpuppen für ihn, die er nach Lust und Laune tanzen ließ. Doch die Krähe war zum Gehorchen denkbar ungeeignet, das hatte schon der Alte zu spüren bekommen, egal, wie viele Ruten er auch auf dem Hintern seines Zöglings zerschlagen hatte.
    Er winkte Nele zum Abschied zu.
    » Lauf mir bloß nicht davon!«, sagte er mit einem kleinen Lächeln.
    Sie warf ihm eine Kusshand zu.
    Dann machte er sich auf den Weg in die Stadt.
    Die Wächter am Ehrentor winkten ihn so nachlässig durch, als sei es ihnen mittlerweile gleichgültig, wer die Stadt betrat oder wieder verließ. Einer von ihnen hatte ein rotes aufgedunsenes Gesicht und hustete, was die Krähe dazu brachte, nach wenigen Schritten stehen zu bleiben und Maske und Handschuhe herauszuholen.
    Mit dem sperrigen Ding vor dem Gesicht war das Gehen um einiges schwieriger, weil es die Sicht einschränkte, doch nach und nach gewöhnte er sich daran, und irgendwann begann es ihm zu gefallen. Er konnte alles und alle sehen – und niemand wusste, wer er war.
    Nur wenige Passanten hatten sich ähnlich vorgesehen; die meisten begnügten sich damit, sich ein Tuch vor den

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