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Die Pestmagd

Titel: Die Pestmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Mund zu pressen. Alle hasteten vorwärts, als ob sie gar nicht schnell genug wieder in den Schutz ihrer Häuser kommen könnten.
    Als er in die Gereonstraße einbog, sah er die rote Tür schon von Weitem. Er wurde langsamer, schließlich blieb er stehen. Das Haus erschien ihm wie eine Festung. Wie im Himmel sollte er da hineinkommen? Wenn er ihnen aber nicht brachte, was sie verlangten, würden sie sich Nele schnappen und ihr wehtun.
    Erneut setzte er sich in Bewegung, schleppend wie ein alter Mann, bis er schließlich vor der Tür angelangt war. Nach einem tiefen Atemzug klopfte er.
    Eine ganze Weile geschah nichts, dann wurde geöffnet. Die Frau, die ihm entgegenstarrte, war groß und knochig. Ihr Haar von undefinierbarer Farbe hatte sie zu einem schlampigen Knoten zusammengedreht, der sich schon wieder halb gelöst hatte.
    » Was willst du?«, raunzte sie ihn an. » Wir sind bis unter das Dach belegt. Nimm deinen Karren und troll dich wieder!«
    Er kannte diese Stimme.
    » Marusch?«, sagte er und zog die Maske herunter. » Was machst du denn hier?«
    » Die Krähe!« Für einen Augenblick sah sie wieder aus wie im Haus am Berlich, spöttisch, lebenslustig, anziehend. » Ich glaub es nicht!«
    Sein Blick glitt über ihr besudeltes Kleid, die dünnen Arme, das vergrämte Gesicht.
    » Du … arbeitest hier?«, fragte er.
    » Sonst hätten sie mir die Hand abgehackt«, sagte sie bitter. » Du weißt ja, wie schnell und geschickt meine Finger stets waren! Jetzt muss ich in dieser Hölle ausharren, bis der Teufel persönlich mich abholen kommt.«
    Ein einziges Mal war er ihr Kunde gewesen, bevor es ihn unwiderstehlich in Belas Arme gezogen hatte. Gerade dachten sie beide daran.
    » Bist du wirklich krank?«, erkundigte sich Marusch. » Hier kannst du nur sterben, das musst du wissen – auf die schauerlichste Weise! Ich hasse sie dafür, dass sie mich zwingen, dieses Elend zu ertragen, dass ich die Pestkranken ansehen muss, berühren, waschen …« Sie schüttelte sich. » Verkriech dich lieber unter einen Baum, solange du noch kannst! Alles ist besser als das hier!«
    » Was macht ihr mit der Wäsche?« Die Worte hatten sich einfach auf seine Zunge gedrängt.
    » Mit den stinkenden, eitrigen Lumpen? Sie werden gehortet und dann verbrannt. Unser Medicus ist ganz streng damit. Aber ich rühre keinen Finger, auch wenn meine Leidensgenossin es noch so oft von mir verlangt. Führt sich auf, als wäre sie Frau Gräfin höchstpersönlich, dabei ist sie nichts anderes als eine stinknormale Pestmagd. Warum willst du das wissen?«
    » Gib mir das Zeug! Ich werde das für dich erledigen.«
    » Du willst die Pestwäsche?«, fragte Marusch ungläubig. » Wozu?«
    » Frag nicht! Gib sie mir einfach – um der alten Zeiten willen!«
    Sie zögerte, dann verzog sie ihren Mund.
    » Warum eigentlich nicht?«, sagte sie. » Soll mir doch ganz egal sein, was du damit anstellst. Und jetzt schläft sie ohnehin gerade. Also komm!«
    Die Krähe setzte die Maske auf und folgte ihr. Den Leiterwagen zog er nach sich. Mit Müh und Not bekam er ihn durch die Tür.
    Drinnen roch es nach Wacholder und Tod. Der Gestank verstärkte sich, als Marusch eine Kammer aufschloss.
    » Bedien dich!«, sagte sie, während er auf die Laken, Tücher und Verbände starrte, die wüst durcheinanderlagen. » Bin heilfroh um jedes Drecksteil, das mir aus den Augen ist.« Sie musterte ihn kurz. » Handschuhe hast du ja. Man kann nämlich sterben, wenn man das Zeug anfasst – behauptet zumindest der Medicus.« Damit ließ sie ihn allein.
    Er musste seinen Widerwillen überwinden, um sich zu bücken und die Pestwäsche anzufassen. Selbst das feste Leder der Handschuhe erschien ihm plötzlich als Schutz nicht mehr zu genügen. Mit hastigen Bewegungen raffte er zusammen, was er zu fassen bekam, und warf es auf den Leiterwagen, der sich immer mehr füllte.
    Weil er sich so schnell bewegte, schwitzte er, was hinter der steifen Maske unangenehm war.
    Wie gern hätte er sie sich vom Gesicht gerissen!
    Doch er musste ja möglichst unerkannt bleiben, um seine Rache zu vollziehen und um Nele zu schützen.
    Plötzlich hörte er Schritte hinter sich.
    » Bin gleich so weit«, rief er. » Dann bin ich wieder verschwunden!«
    » Was machst du hier?«, hörte er jemanden hinter sich sagen.
    Das war nicht Marusch – die Stimme besaß eine weiche Melodie, die er aus einem anderen Leben kannte. Er fuhr herum.
    Die Frau war groß und mager. Eisgrüne Augen, die ihn wütend anblitzten.

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