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Die Pestmagd

Titel: Die Pestmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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auf ihn wies, weil er sie angezeigt und in den Turm gebracht hatte? Wenn sie versuchte, sich an ihm zu rächen, weil er ihr Leben zerstört hatte?
    In seinen Träumen geschah dies bereits, was dazu führte, dass er matt und erschöpft erwachte und sich durch die Tage schleppte wie ein Greis. Für die Trampeltonne besaß er nicht mehr genug Kraft. Er hätte sie alleine bedienen müssen, weil die Pest seine Gesellen dahingerafft hatte und es so gut wie aussichtslos schien, in diesen dunklen Zeiten neue zu finden. Aber auch das Schaben und Nähen ging ihm nur noch mühsam von der Hand, als sei er mit einem Schlag um viele Jahre gealtert. Nicht einmal das Verkaufen machte ihm noch Spaß. Er, der stets davon geträumt hatte, im Gewölbe des brüderlichen Hauses Kunden zu empfangen, reagierte gereizt, wenn jemand an die Pforte klopfte, bediente ihn nachlässig, fast fahrig und fühlte sich erleichtert, wenn er ihn wieder verließ, sogar wenn er nichts gekauft hatte.
    Anlass zur Sorge gab es durchaus, denn die anhaltende Pestwelle hatte die Anzahl der Kaufwilligen drastisch reduziert. Dabei war der Spätherbst seit jeher seine beste Zeit gewesen, jene frostigen Wochen vor Weihnachten, wenn die Kälte sich immer tiefer in die Knochen fraß und manch einen zum Erwerb von Pelzen trieb, die er sich eigentlich kaum leisten konnte. Doch in diesem Jahr war alles anders, und manchmal überkam Hennes der Gedanke, dass es auch an Ita liegen könnte, die mit ihren Amuletten, Kräutern und Wässerchen in sein Leben geplatzt war wie eine Gewitterfront an einem schwülen Sommerabend.
    Er begehrte sie nicht – und landete doch regelmäßig an ihren großen Brüsten. Er liebte sie nicht – und kam doch nicht von ihr los, zumal sie ihm ihre Glückspillen verabreichte, deren berauschende Wirkung im Lauf der Zeit allerdings schwächer und kürzer zu werden schien.
    Trotzdem hatte er ihr einige stibitzt, um mit Bela endlich wieder jene Wonnen zu genießen, die er nun schon so lange entbehren musste. Er wusste genau, in welchem der unzähligen Kästchen und Töpfchen Ita sie verwahrte, die sie in sein Haus geschleppt hatte, ohne ihn um Erlaubnis zu fragen. Krakenhaft hatte sie sich immer weiter im Lilienhaus ausgebreitet, und als er sie nach ihrem Domizil in der Schwalbengasse fragte, lediglich geantwortet, dass dies nun ganz im Dienst ihrer Heilkunst stehe. Dort biete sie ihre Schwitzkuren an, die Menschen vor dem sicheren Untergang bewahren könnten; dort lagerten auch ihre kostbarsten Substanzen, die jeden, der sie benutzte, vor Pest und Unheil schützten.
    Sein Haus schien immer mehr ihr Haus zu werden, was ihm missfiel. In den letzten Tagen hatte sie sogar von Verlobung geredet, ein Gedanke, der ihn schaudern ließ, weil sie beileibe nicht die Frau war, die er bis zum Lebensende an seiner Seite haben wollte.
    Allein deshalb musste er zu Bela, und kein Hurenwirt der Welt sollte ihn heute von diesem Vorhaben abbringen. Noch auf dem Weg zum Berlich würgte er drei der Glückspillen hinunter, was ohne Wein nicht ganz einfach war und seinen Mund pelzig machte. Doch er wollte bei der Schönsten kein Risiko eingehen, sondern sich stark und jung fühlen.
    Fortuna schien ihm gewogen, denn Bela war wieder gesundet und frei. Allerdings unterzog Wolter ihn gleich bei der Ankunft einer nervtötenden Befragung nach seiner Gesundheit, bevor er ihn zu ihr ließ, was sich wie Mehltau auf seine fiebrige Vorfreude legte.
    Bela zog einen Flunsch, als sie ihn erblickte, als hätte sie mit einem anderen Besuch gerechnet. Hennes zog den hübschen kleinen Muff heraus, den er für sie aus rötlichem Fähenfell genäht hatte, nachdem sie sich im letzten Winter öfter über zu kalte Finger beschwert hatte.
    » Du wirst wunderbar damit aussehen«, sagte er. » Wie eine Prinzessin.«
    Sie musterte sein Geschenk kurz, dann ließ sie es gelangweilt zu Boden gleiten.
    » Das Übliche?«, fragte sie knapp, als sei sie eine Marktfrau, die ihren Stand bald schließen müsse.
    Er schluckte.
    » Meine Taschen sind voller Geld«, sagte er, weil er Johannas Reserven bis zur allerletzten Münze geplündert hatte. » Ich kann die ganze Nacht bleiben, wenn du willst. Lass Wein kommen und Braten, dann können wir zusammen feiern, solange wir nur wollen!«
    » Mir ist nicht zum Feiern zumute.« Sie hockte sich auf die Bettstatt und zog die Beine an wie ein Kind.
    » Ist es die Seuche, die dich bedrückt?« Hennes setzte sich neben sie.
    Wie zart sie war, wie fein! Als hätte ein

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