Die Pestmagd
machte Johannas Herz einen kleinen Sprung, bevor sie sich wieder zur Nüchternheit zwang.
Ihn zu lieben hatte ihr beinahe den Tod gebracht. Ihn zu verlieren so vieles in ihr zerstört, dass ein Teil in ihr seitdem taub geblieben war.
Weder Severin noch Ludwig hatten diesen wiedererwecken können. Warum fühlte es sich ausgerechnet jetzt an, als beginne er sanft zu pulsieren?
Lautes Rumpeln ließ alle zusammenfahren.
Eine Maskengestalt stand inmitten der gezackten Scherben des Tontopfes, den sie gerade hatte fallen lassen. Zu ihren Füßen breitete sich trübe grünliche Brühe aus. Von der Größe her konnte es nur Marusch sein, die die Angewohnheit hatte, sich leise wie eine Katze anzuschleichen, um besser lauschen zu können, während die kleine Grit so tapsig herumpolterte, dass sie schon von Weitem zu hören war.
» Da drüben ist gerade wieder einer krepiert«, sagte Marusch abfällig und streckte die Hände in den speckigen Lederhandschuhen weit von sich. » Ich mag das widerliche Pestzeug nicht schon wieder wegtragen. Kommst du, Johanna? Wir müssen den Leichenwagen rufen, sonst vergiftet er noch uns alle!«
» Bin gleich da«, sagte Johanna. » Schließ schon mal die Kammer auf!«
Es passte ihr nicht, dass Marusch die schlimmsten Arbeiten ständig anderen zuschob. Aber noch viel unangenehmer war, dass sie neuerdings wie ein Schatten an ihr klebte.
Der Medicus gefiel ihr, das war unübersehbar.
Hatte sie anfangs noch versucht, Vincent durch Hüftwackeln und obszöne Scherze auf sich aufmerksam zu machen, was gründlich misslang, so beschränkte sie sich mittlerweile auf bissige Bemerkungen, sobald sie ihn zu Gesicht bekam, und wenn er nicht im Pesthaus war, arbeitete sie so langsam, dass man Angst bekommen musste, sie würde mittendrin einschlafen.
» Man hat mich in die Hölle verbannt«, sagte sie, wenn Johanna versuchte, sie anzutreiben, weil sie selbst wieder einmal nicht wusste, wo sie zuerst hinlangen sollte. » Aber dass ich dem Teufel auch noch freiwillig den Arsch küsse, kann keiner von mir erwarten!«
Die Schwarze Marusch ahnte etwas von Vincent und ihr, auch wenn Johanna ihr kein Wort über früher verraten hatte. Zu giftig waren ihre Blicke, zu oft kam sie grundlos herein, sobald die beiden in einem Raum waren. Nicht einmal nachts gab sie Ruhe. Wenn Johanna hochfuhr, weil sie einen der Kranken rufen hörte oder die Glöckchen zu bimmeln begannen, die sie neben den Pritschen angebracht hatte, fand sie Marusch oft vor ihrer Kammer, zusammengekauert, um ja nichts zu verpassen. Und jedes Mal schien sie bitter enttäuscht, sobald die Tür aufging und Johanna allein herauskam.
Doch wie erst hätte sie reagiert, wäre sie nicht allein gewesen?
Aus dem Argwohn wurde allmählich Hass, das bekam Johanna von Tag zu Tag deutlicher zu spüren. Und es gab nichts, was sie dagegen hätte unternehmen können.
x
Beim letzten Mal hatte Wolter Hennes glatt abgewiesen unter dem Vorwand, Bela sei zu müde und fühle sich krank. Dabei hatte er doch genau gesehen, wie Rutger Neuhaus aus dem Hurenhaus gestürmt kam. Besonders glücklich hatte der Rheinmeister allerdings nicht auf ihn gewirkt. Aber vielleicht hatte die Lust in ihren Armen ihn derart strapaziert, dass er gezeichnet aussah.
Ita schien zu spüren, was er vorhatte, jedenfalls drangsalierte sie ihn mit bohrenden Fragen, die er schließlich mit einer Lüge abwehrte. Er müsse einen Jäger treffen, der ihm Hermelinfelle in Aussicht gestellt habe. Wenn besonders schöne darunter wären, sei ihre Aussicht auf einen Winterkragen nicht übel, setzte er noch hinzu, weil ihre Miene noch immer verdrossen wirkte. Sie brauche nicht auf ihn zu warten, es könne spät werden.
Seit dem Tag der Hinrichtung hatte er sie nicht mehr lachen sehen, und wenn er ehrlich sein sollte, war auch ihm das Lachen vergangen, nachdem er erfahren hatte, dass Johanna nicht gehängt worden war. Zwar hatte er die Angelegenheit mit den Schreinsbüchern längst in Ordnung gebracht. Das Lilienhaus gehörte jetzt ihm, so stand es verbrieft und besiegelt. Alle Pelze lagerten im Gewölbe, und er konnte sich die beschwerlichen Fahrten zum alten Lager ersparen, wo dreistes Gesindel sich seiner Kostbarkeiten bedient hatte.
Doch an sein Glück vermochte er dennoch nicht wirklich zu glauben. Der Gedanke, Johanna im Pesthaus an der Gereonstraße zu wissen, verließ ihn keinen Augenblick.
Was, wenn sie von dort floh und eines Tages fordernd vor ihm stand? Wenn sie anklagend mit dem Finger
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