Die Pestmagd
begierig darauf, sich in den Reigen von Belas Freiern einzureihen. Das konnte er Arnheims verdruckster Miene und dem verlegenen Gruß entnehmen, den er ihm entbot.
x
Als Johanna die Krankenkammer ohne Maske betrat, begann Anderl zu lächeln, zum ersten Mal seit Tagen. In der Nacht waren die beiden Männer auf den anderen Pritschen gestorben, ein Anblick, den sie ihm nur zu gern erspart hätte, doch die Enge des Pesthauses verbot eine Sonderbehandlung. Schon jetzt waren die Lager mit zwei neuen Kranken besetzt, einem dicken Mann, dessen Arme und Beine rote Geschwüre bedeckten, während die schwarzen Beulen noch klein und knüppelhart waren, und einem Jungen, der bereits im Delirium lag und unaufhörlich nach seiner Mutter schrie.
» Muss er denn sterben?«, fragte Anderl und hielt die Decke fest, die Johanna zurückschlagen wollte.
Sie entschied sich für die Wahrheit.
» Ich fürchte ja«, sagte sie. » Seine Beulen wollen nicht aufgehen, sind aber nicht reif genug, um sie aufzuschneiden wie bei dir. Und jetzt lass mich an dein Bein, sonst kann ich es nicht verbinden!«
Er machte keinerlei Anstalten, ihrer Aufforderung zu folgen.
» Was hast du?«, fragte sie, als seine Wangen immer röter wurden. » Neue Schmerzen?«
Er schüttelte den Kopf.
» Die Alte soll es machen«, sagte er. » Die mit der weißen Katze.«
Jetzt erst begriff Johanna. Noch vor Kurzem wäre es ihm egal gewesen, doch jetzt, nachdem er sich auf dem Weg der Besserung befand, war es ihm peinlich, sich vor ihr zu entblößen.
» Das geht heute leider nicht«, sagte sie. » Sabeth hat blaue und graue Tage, und seit gestern sind leider wieder die grauen angebrochen. Am Morgen hat sie nicht einmal mehr mich erkannt. In diesem Zustand kann ich sie nicht an deine Wunden lassen.«
Anderl ließ die Decke los und starrte an Johanna vorbei an die Wand.
Sie löste die Verbände. Die Wundheilung ging gut voran, soweit sie es beurteilen konnte. Anderls Körper, eben noch steif und voller Abwehr, entspannte sich, als Mieze mit einem Plopp auf die Pritsche sprang und sich zu seinen Füßen legte.
» Sie mag mich«, sagte er mit glänzenden Augen und konnte Johanna auf einmal wieder ansehen. » Sie kommt mich fast jede Nacht besuchen. Werde ich wirklich wieder ganz gesund?«
» Das wirst du!«, sagte Johanna.
» Woher willst du das wissen? Weil der Medicus es gesagt hat?« Seine Verehrung für Vincent war schier grenzenlos. » Aber was, wenn die anderen hier im Zimmer mich wieder anstecken?«
» Das werden sie nicht«, sagte Johanna.
» Woher weißt du das?«, fragte Anderl.
Sie zögerte kurz. Aber der eine Kranke schnarchte und der andere war in Welten, zu denen niemand mehr Zugang hatte. Dann löste sie ihr Band.
» Deswegen«, sagte sie. » Siehst du die Narben?«
Er nickte.
» Es sind die gleichen, die du am Bein bekommen wirst. Sie sind hässlich, aber ein Segen. Wer einmal die Pest überlebt hat, ist künftig vor ihr gefeit.«
Hinter Anderls Stirn begann es zu arbeiten.
» Bis zum Rest meines Lebens?«, fragte er nach einer Weile.
» Bis zum Rest deines Lebens«, bekräftigte Johanna. » Was aber nicht heißt, dass dich keine anderen Krankheiten befallen können. Du musst auf dich achtgeben. Das müssen wir alle.«
» Trägst du deshalb keine Maske wie die anderen Frauen?«, wollte er wissen.
» So ist es«, sagte Johanna. » Aber manchmal setze ich sie trotzdem auf. Man muss seine Geheimnisse nicht allen auf die Nase binden. Und das würde ich auch dir empfehlen.« Sie hatte das Band wieder angelegt und beugte sich vor, um das Laken glatt zu streichen.
Plötzlich spürte sie seine Finger an ihrem Hals.
» Warum hast du keine Haare mehr?«, fragte er leise.
» Sie haben sie mir zur Strafe abgeschnitten«, sagte sie. » Aber sie waren im Unrecht. Es wird dauern, bis sie wieder lang sind.«
» Du bist trotzdem schön«, sagte Anderl. » Ich mag deine Augen und die Art, wie du dich bewegst. Es sieht aus wie ein Tanz. So, als würdest du innerlich die ganze Zeit summen.«
» Wie recht er hat«, hörte sie Vincent sagen und fuhr wie ertappt zu ihm herum. » Das ist mir auch gleich aufgefallen, als ich sie zum ersten Mal gesehen habe.« Er wandte sich dem Jungen zu. » Aber ich warne dich, denn sie ist mehr als gefährlich. Man bekommt diese Frau nicht mehr aus dem Kopf, egal, wie niederträchtig sie sich auch benimmt.«
Seine Worte waren hart gewesen, doch die Stimme hatte weich dabei geklungen, fast sehnsüchtig. Wider Willen
Weitere Kostenlose Bücher