Die Pestmagd
Dutzend verschiedener.«
» Schreibt Ihr darüber?«, meldete sich trotz des Kummers die Apothekerstochter in ihr. Sie schielte zu den Blättern.
» Nein«, sagte Vincent. » Da geht es um die andere Seuche, die die Menschheit geißelt. Seit Jahren arbeite ich schon daran. Und habe noch immer nichts entdeckt, um sie endgültig niederzuringen.«
Sie wusste sofort, wovon er redete.
» Im Badehaus haben wir die Patienten wochenlang purgiert und im Dampf schwitzen lassen«, sagte sie. » Doch genützt hat es nichts. Ludwig freilich meinte …« Ihre Augen hingen an Vincents Gesicht. » Rettet ihn – ich flehe Euch an!«
Besorgt schaute er sie an. » Der Bader fiebert?«
» Ein wenig. Sehr heiß ist er nicht.«
» Die Beulen sind hart?«
» Ich habe sie nicht berührt.«
» Natürlich. Verzeiht die dumme Frage!« Sie sah, wie er ihren Bauch musterte.
» Es kann jetzt jeden Tag so weit sein«, sagte sie. » Noch immer vor der Zeit, aber sie wollen nicht mehr warten. Werdet Ihr mit mir kommen?«
» Ihr dürft Euer Haus nicht mehr betreten, und das wisst Ihr«, sagte Vincent. » Nicht bevor die letzte Spur der Seuche daraus verbannt ist. Reinigen und Brennen, etwas anderes kennen wir bislang leider noch nicht. Und pflegen dürft Ihr ihn auch nicht. Nicht in Eurem Zustand.«
» Ludwig im Stich lassen?«, rief sie. » Niemals! Nicht, solange noch ein Funken Atem in mir ist.«
» Wollt Ihr ihn und sie verlieren?«, fragte er eindringlich.
Sie schüttelte den Kopf.
» Nein«, murmelte sie. » Das würde ich nicht überleben.«
» Vergesst bei allem Kummer nicht das Pesthaus!«, fuhr er mahnend fort. » Weißenburg ist der Pächter. Solange der Bader krank ist, tragt Ihr die Verantwortung – für Insassen und Mägde.«
Ennelin sank in sich zusammen. Gerade noch rechtzeitig schob er ihr einen Hocker unter.
» Wie kann Gott so grausam sein?«, flüsterte sie. » Wie so hart unsere Sünden bestrafen?«
» Gott schickt uns die Krankheiten nicht«, sagte Vincent. » Sie entstehen unter den Menschen, wenn wir auch noch nicht wissen, wie. Das predige ich in jeder Vorlesung meinen Studenten. Und sie starren mich jedes Mal genauso entgeistert an wie Ihr.«
Er holte seine Tasche.
» Habt Ihr einen Ort, wo Ihr für ein paar Tage unterkommen könnt?«, fragte er. » Euer Vater, der Apotheker …«
Sie wurde noch bleicher.
» An der Pest verstorben«, sagte sie. » Aber meine Mutter blieb bislang verschont. Sie hat alles verbrannt, womit er in Berührung gekommen war. So lautete sein Letzter Wille.«
» Ein kluger Mann«, sagte Vincent. » Jemand, der seine Kunst verstand. Dann seid Ihr immerhin versorgt, wenn Eure Stunde kommt.«
» Aber Ludwig …« Schwerfällig kam sie nach oben. » Wer wird sich um ihn kümmern?«
» Ich lasse ihn ins Pesthaus bringen«, sagte Vincent. » Dort kann ich jeden Tag nach ihm schauen.«
» Den Bader – in sein eigenes Pesthaus!«, rief sie gequält. » Gebettet, gefüttert und gewaschen von jenen Weibern, die …« Sie verstummte.
Das Gesicht des Medicus war auf einmal streng.
» Ihr solltet die Frauen achten, die diese Arbeit verrichten!«, sagte er. » Auch wenn sie es nicht aus freien Stücken tun. Sie riskieren ihr Leben, um andere vor dem Tod zu retten. Gelingt es nicht, so trifft sie keine Schuld. Die Seuche tötet – die Pestmägde sind machtlos, und manchmal verzweifeln sie daran.«
» So habe ich es noch nie gesehen.« Ennelin spürte, dass sie sich schämte. » Ich habe nur nachgeplappert, was die anderen sagen. Jetzt komme ich mir auf einmal ganz lächerlich und dumm vor.«
» Es ist nicht dumm, sich zu irren«, sagte Vincent. » Es ist nur dumm, dabei zu verharren.«
x
Sie hatten ihm den Leiterwagen aus der Hand gerissen, kaum war er wieder zurück ins Lager gekommen.
» Ein Teufelskerl bist du!«, rief Christian immer wieder, während die Frauen respektvoll um die Krähe schlichen, als sei er mit einem Mal auf ihrer Gunstleiter ein großes Stück nach oben gerutscht. » Ein richtiger Teufelskerl – wusste ich es doch! Jetzt wird der Rheinmeister nichts mehr zu meckern haben und ordentlich was springen lassen.«
In ihrer anfänglichen Freude war ihnen gar nicht aufgefallen, dass der Wagen alles andere als voll war.
Ruch, der sich bislang zurückgehalten hatte, brachte die Sache als Erster auf den Punkt.
» Und das soll alles sein?« Mit seinem Handschuh, so schwarz, als habe er in einem Rauchfang gehangen, hielt er ein besticktes Frauenhemd in die Höhe.
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