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Die Pestmagd

Titel: Die Pestmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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niemand darf dich hier sehen.«
    » Ich komme wieder.« Er griff nach Mantel und Maske. » Sobald ich beim Erzbischof war. Ennelin muss mit den Säuglingen zu ihrer Mutter gebracht werden. Und wir beide …«
    » Vergiss es!«, sagte Johanna spröde. » Wir hatten niemals eine Zukunft. Und so wird es bleiben.«
    Bevor er etwas sagen konnte, packte sie das Öllicht und lief vor ihm die Treppe hinunter. Betreten folgte er ihr.
    Sie wandte den Kopf zur Seite, als er sie küssen wollte, und öffnete die Haustür, als könnte es ihr auf einmal nicht schnell genug gehen, ihn los zu sein.
    Dann stieß Johanna einen gellenden Schrei aus.
    Auf der Schwelle lag ein gehäutetes Tier. Daneben sein buschiger Schwanz, dessen pelzige Pracht das rohe Fleisch noch bedrohlicher machte. Das Schlimmste jedoch war das breite grüne Samtband, das man um seinen Hals gelegt hatte.
    x
    Vincent trug noch ihren Geruch an sich, als er das Palais des Erzbischofs erreichte, was ihn mit einem Gefühl wilder Genugtuung erfüllte. Sie waren vereint gewesen – doch was war danach alles geschehen!
    Ein Sohn war ihm geschenkt und wieder genommen worden.
    Schließlich der grausliche Fund auf der Schwelle.
    Johanna hatte ihm auch von dem ersten Kadaver erzählt und in stockenden Halbsätzen von dem Einbrecher berichtet, der die Pestwäsche gestohlen hatte.
    Sie schwebte in großer Gefahr, das wussten sie beide. Die verstümmelten Tiere auf der Schwelle waren unmissverständliche Botschaften. Zweimal waren sie schon abgelegt worden – was würde als Drittes kommen?
    Aber wie konnte er sie schützen, in diesem Haus voller Grauen und Tod?
    Zerstreut nahm er die Grußworte des Prälaten entgegen, der ihn an der Pforte in Empfang nahm und hinauf zum Erzbischof führte. Wie nicht anders zu erwarten, war der Kanzler bei ihm, Gisbert Longolius ebenfalls, der ungewohnt blass aussah.
    » Was für eine Ehre, Euch wieder einmal in meinen Räumen begrüßen zu dürfen, Medicus de Vries!« Die Ironie in von Wieds Stimme entging keinem der Anwesenden.
    » Ich komme, sobald Ihr nach mir verlangt, Exzellenz«, gab Vincent zurück. » Und dies war in letzter Zeit leider nicht gerade oft der Fall.«
    » Man hört, Ihr kämpft geradezu unermüdlich gegen die Seuche. Das Pesthaus in der Gereonstraße soll beinahe Euer zweites Zuhause geworden sein.« Die tief liegenden Augen des Erzbischofs funkelten boshaft. » Sogar die Studenten beginnen bereits zu murren, weil vor lauter Praxis die Theorie zu kurz kommt.«
    » Die Kranken sind die Praxis«, sagte Vincent scharf. » Das sollten sie frühzeitig begreifen. Was nützt alle Theorie, wenn wir diese Menschen nicht gesund machen können?« Sein Tonfall veränderte sich. » Wie geht es Euch, Exzellenz? Ihr wirkt frischer. Und das Gelb aus Euren Augäpfeln ist auch verschwunden.«
    » Ich fühle mich wohl«, sagte von Wied. » Und ich brauche meine Gesundheit dringender denn je – in diesen Zeiten des Umbruchs. Ihr habt meine Predigt gehört?«
    » Jedes Wort, Exzellenz.«
    » Hat sie Euch gefallen?«
    » Gefallen?«, wiederholte Vincent gedehnt. » Bestürzt hat sie mich. Zum Nachdenken gebracht. Aufgerüttelt. So würde ich es eher beschreiben.«
    » Da seht Ihr es!« Voller Begeisterung war der Erzbischof von seinem Sessel aufgesprungen. » Habe ich es Euch nicht gesagt?« Das galt Bernhard vom Hagen. » Das Volk versteht mich, und ich verstehe das Volk. Es will nicht länger unter den alten Missständen leiden.« Er ballte die Hände zu Fäusten. » Und den Worten werden alsbald Taten folgen. Die fähigsten Reformer will ich nach Köln holen, Martin Bucer, Philipp Melanchthon, Erasmus Sarcerius und viele andere, die unserer geliebten Stadt neue Impulse geben werden.«
    » Eure geliebte Stadt ächzt unter der Pest«, sagte Vincent. » Hunderte sterben. In den Gassen häuft sich der Unrat. Familien brechen auseinander. Gesindel raubt und stiehlt, was es nur kriegen kann. Keiner kann dem anderen mehr trauen. Das ist es, worunter das Volk gerade leidet. Die Menschen verlieren alle Hoffnung. Und wir Heilkundige können nur wenig dagegen ausrichten.«
    Die Hände von Wieds sanken herab.
    » Ich werde mir von Euch nicht den Mut nehmen lassen, Medicus de Vries«, sagte er. » Ebenso wenig wie von anderen.« Bernhard vom Hagen schwieg weiterhin verbittert. » Wir beide werden wieder enger zusammenrücken müssen.«
    » Wie darf ich das verstehen, Exzellenz?«, fragte Vincent, innerlich alarmiert.
    » Sprecht, Medicus Longolius!«,

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