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Die Pestmagd

Titel: Die Pestmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Kapaun geworden war?
    Oder war es einer der zahllosen namenlosen Männer gewesen, die Wolter ihr geschickt hatte, damit die Münzen in seiner Lade weiterhin fröhlich klingelten?
    Sie alle bezahlten nicht dafür, dass sie mit ihnen schlief. Sie bezahlten dafür, dass sie wieder gehen konnten, sobald ihre Lust gestillt war.
    Bela fühlte sich plötzlich so müde, dass sie am liebsten nie mehr aufgestanden wäre. Doch sie musste aus dem Haus, auch wenn Wolter die Schrecknisse der Pest, die draußen in allen Winkeln lauerte, in immer neuen schaurigen Einzelheiten ausmalte.
    Jene Ita, die ihr Abscheu entgegenbrachte, weil sie jung und schön war, hatte in geheimnisvollen Andeutungen von einem Wundermittel gesprochen, das die Lustseuche besiegen könne. In ihren Augen hatte Bela gelesen, wie sehr sie Geld liebte. Sie hatte einiges zurückgelegt, einen geheimen Vorrat, von dem nicht einmal der Hurenwirt etwas wusste. Sie packte alles, was sie besaß, in einen kleinen Samtbeutel. Vielleicht würde der Klang von Silber Itas Abneigung in Geschäftssinn verwandeln.
    Als sie nach einem passenden Gewand suchte, fiel ihr auf, wie dürftig ihre Garderobe war. » Du brauchst Kleider nur zum Ausziehen« – die hochnäsige Stimme Neuhaus’ schepperte hässlich in ihren Ohren. Nicht einmal ordentliche Stiefel für den Winter besaß sie, musste sich in dünnes Schuhwerk zwängen, das Schmutz und Nässe schon ganz rissig gemacht hatten.
    Du weißt nichts von mir – gar nichts!, dachte sie trotzig, während sie sich mit Ösen und Schnüren abmühte. Vielleicht kommt die Krähe ja doch noch zurück und trägt mich auf ihren Schwingen weit fort.
    Jetzt legte sie sich den Silberfuchs um den Hals, den Neuhaus dem Kürschner vor Monaten für sie abgeluchst hatte, auch wenn jegliche Freude daran längst erloschen war, und setzte sich zudem das silbrige Mützchen auf. Sie schlang sich das dickste Wolltuch um, das sie besaß. Dann steckte sie den Samtbeutel in den Muff, den Arnheim bei seiner wilden Flucht zurückgelassen hatte.
    » Du willst ausgehen?«, fragte Conrat Wolter erstaunt. » Bei diesem Wetter?«
    » Bin ich vielleicht deine Gefangene?«, entgegnete sie gereizt.
    » Schon gut, schon gut!« Noch war er bestrebt, ihr nach dem Mund zu reden, weil er stets daran dachte, wie viel sie ihm einbrachte. » Aber schlepp mir bloß nicht die schwarzen Beulen an oder sonst irgendeine Krankheit! Heute ist es sehr ruhig, aber morgen …«
    Sie ließ ihn einfach stehen.
    Die kalte Novemberluft kühlte die innere Hitze. Daran hätte sie es eigentlich schon früher merken können: an den Händen und Füßen, die trotz der schäbigen Bude, in der sie untergebracht war, nie mehr richtig kalt geworden waren.
    Bela war in schnelles Gehen verfallen. Je eher sie bei Ita ankam, desto rascher würde sie es hinter sich bringen.
    Ihre Aufregung wuchs. Würde sie ihr palo santo verabreichen, zwei Worte, die Bela behalten hatte, obwohl sie aus einer anderen Sprache stammten?
    Sie blieb stehen, schaute sich suchend um. Die Schwalbengasse hatte sie erreicht. Doch welches war noch einmal das Haus?
    Dann fiel ihr plötzlich wieder das heimliche Prusten der anderen ein. Im ehemaligen Hurenhaus hatte die Heilerin sich eingemietet. Jetzt hätte Bela nicht einmal mehr die Eulenklaue an der Tür gebraucht, um sich zurechtzufinden.
    Sie klopfte an.
    Ita öffnete.
    » Bela?« Ihre dichten Brauen schnellten nach oben. » Was willst du? Pestamulette? Die muss ich erst wieder anfertigen, so zügig, wie man sie mir aus den Händen reißt.«
    » Ich brauche deine Hilfe«, sagte Bela. » Ich habe Geld dabei. Viel Geld …«
    » Schöne Pelze«, erwiderte Ita. » Komm herein!«
    Die Küche, in die Bela beim Vorbeigehen nur einen kurzen Blick werfen konnte, schien ein buntes Sammelsurium von Töpfen, Kräuterbüscheln und Gewürzen zu sein, doch der Raum, in den Ita sie schließlich führte, war überraschend karg.
    Ein Tisch, zwei Stühle, eine Truhe. In der Luft hing der Geruch nach Verbranntem.
    » Also?«, sagte Ita, während Bela sich beklommen setzte.
    » Im Haus am Berlich hast du von einem bestimmten Holz gesprochen«, begann Bela vorsichtig. » Da dachte ich …«
    » Es hat dich tatsächlich erwischt?« In Itas Augen trat ein seltsamer Glanz. » Ihr denkt alle, ihr wärt unverwundbar, aber das seid ihr nicht.« Sie begann ihre Hände zu kneten. » Wie lange schon?«
    » Das weiß ich nicht genau.«
    » Ach, du lässt nur die geilen Kerle schauen und machst die Augen

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