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Die Pestmagd

Titel: Die Pestmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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trug.
    Es galt ihr, ihr allein. Das würde sie längst begriffen haben.
    Die Krähe verließ das Versteck und lief zum Hof zurück.
    Eigentlich hatte er ins Hauptgebäude gehen wollen, um zu sehen, was die Männer heimlich trieben, doch irgendetwas brachte ihn dazu, als Erstes das alte Backhaus anzusteuern.
    Zu seiner Überraschung war die Tür nicht verriegelt wie sonst, sondern stand angelehnt, eine Gelegenheit, die er sich nicht entgehen lassen konnte.
    Nele?, wollte er schon rufen. Ich bin’s, Jakob. Doch die Worte blieben ihm im Hals stecken.
    Nele stand mit dem Rücken zur Wand, zu Füßen ihr Kleid, das inzwischen vom Ruß so schmutzig war, dass man die ursprüngliche Farbe nur noch ahnen konnte.
    » Herunter mit dem Hemd!« Die Stimme des Mannes war kehlig. » Hab dir ein schönes neues mitgebracht, das dir viel besser stehen wird.«
    » Ich zieh mich nicht weiter vor Euch aus«, rief Nele. » Und verraten werde ich auch nichts, damit Ihr das nur wisst!«
    » Und ob du dich ausziehen wirst!« Neuhaus machte einen Schritt auf sie zu. » Es soll direkt auf deine glatte Haut kommen, hast du mich verstanden? Damit es dich so schützend einhüllt wie ein Totenhemd.« Dann begann er zu brüllen. » Runter damit! Sonst mache ich es.«
    Sie schaute so ängstlich drein, wie er es noch nie an ihr gesehen hatte.
    Neuhaus schwenkte das Hemd wie eine Trophäe.
    Das dunkle Leder seiner Handschuhe ließ es noch weißer erscheinen. Weiß war es, mit Blüten und Ranken sorgfältig bestickt, ein Schmuckstück geradezu, wäre es nicht …
    Die Krähe erstarrte. Er selbst hatte es aus dem Pesthaus gestohlen und Ruch damit verächtlich vor der Nase herumgewedelt.
    » Komm, fass es an, Mädchen!«, lockte Neuhaus. » Es ist ganz zart und fein. Wie für dich gemacht.«
    » Nein, Nele, nicht!«, entfuhr es der Krähe. » Nicht anfassen!«
    Neuhaus drehte sich zu ihm um.
    » Wen haben wir denn da?« Die fleischigen Züge drohten ihm zu entgleiten. » Den fleißigen kleinen Stecher aus dem Hurenhaus! Kannst die Braut dort gern haben, wenn du unbedingt willst – aber die hier gehört mir.«
    In seiner Rechten blitzte ein Dolch, mit dem er blitzschnell Neles Arm ritzte. Blut sprudelte hervor, tropfte auf den Boden.
    » Hilf mir, Jakob!«, schrie Nele in Todesangst. » Er ersticht mich!«
    Die Krähe sprang auf Neuhaus zu, der das Pesthemd wie einen Schild vor sich hielt.
    » Soll ich dich auch gleich damit erledigen?«, schrie der Rheinmeister. » Im Tode vereint, unsere jungen Liebenden, welch herzergreifendes Bild!«
    » Gar nichts wirst du!«, schrie Jakob zurück. Schneller und leichter als der Ältere, tänzelte er wie besessen vor diesem herum. » Lass das Hemd sofort fallen!«
    Er hatte ebenfalls sein Messer gezückt und streckte es Neuhaus entgegen.
    » Ich denke gar nicht daran. Sie wird sterben – auf qualvolle Weise wie all die anderen Ketzer. Aber davon verstehst du nichts, du hirnloser Bastard!«
    Ein Wort, das Jakob viel zu oft zu hören bekommen hatte, bevor er sich in die Krähe verwandelt hatte, vor deren scharfen Krallen sie alle Angst hatten. Wut stieg in ihm auf, gleißend hell, wie er sie sonst nur kannte, wenn er an seine Mutter dachte, die ihn für ein paar Silberlinge verkauft hatte.
    » Das sagst du nicht zu mir!« Sein Fuß schnellte vor, traf Neuhaus exakt zwischen den Beinen. » So schnell wirst du nicht mehr ins Hurenhaus laufen!«
    Der Rheinmeister krümmte sich, um den Schmerz abzumildern. Dabei verlor er den Dolch. Das Hemd hielt er weiterhin umklammert, als sei es mit ihm verwachsen.
    » Bastard«, keuchte er. » Bastard. Bastard … der einzige Name, der für dich taugt!«
    Ein harter Knierempler brachte ihn auf den Boden.
    Dann besann Jakob sich auf das, was der Alte ihm beigebracht hatte: die Nieren, der Magen, die Lunge. Seine Tritte kamen erbarmungslos und regelmäßig, bis Neuhaus endlich verstummt war.
    » Nele«, schrie Jakob, » lauf weg. Mach, dass du fortkommst! Wenn der Hundling wieder zu sich kommt …«
    Sie setzte sich in Bewegung, doch Neuhaus hatte sie beide getäuscht. Als Nele an ihm vorbeiwollte, packte er ihren Knöchel und brachte sie zu Fall. Während sie längs hinschlug und vor Schmerz aufschrie, holte er das Pesthemd unter sich hervor und presste es auf ihre blutende Wunde.
    » Du wirst sterben«, zischte er. » Ihr alle werdet sterben! Erst dann bin ich zufrieden.«
    Jetzt gab es kein Halten mehr für Jakob. Er warf sich auf ihn, hob den Arm, um mit dem Messer

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