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Die Pestmagd

Titel: Die Pestmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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der Anlegestelle, was ihn hoffen ließ. Eine Frau, die einen Esel am Halfter führte, kam langsam näher. Niemals zuvor hatte er ein beladeneres Tier gesehen. Der Esel schwankte unter Kisten und Kästen, die abenteuerlich auf seinem Buckel aufgetürmt waren. In einem Weidenkäfig hockte ein schwarzer Hahn, der seinen Kamm reckte. In einem provisorischen Gitterbehältnis hatten sich zwei sandfarbene Frettchen eingekringelt.
    Die Frau musterte ihn ungeniert. Vor ihrem Bauch baumelte eine große Stofftasche, ebenso fleckig und abgewetzt wie das rote Kleid, das sie trug.
    » Ihr wollt auch nach drüben?« Ihr fleischiges Kinn deutete zum anderen Ufer. » Hinüber ins schöne, reiche Köln? Dann wären wir ja schon zu zweit.«
    Vincent nickte.
    Eine abgetakelte Hübschlerin, war sein erster Gedanke, die irgendwie zu Geld gekommen sein musste. Vor Jahren mochte sie durchaus anziehend gewesen sein mit ihren vollen Brüsten, den geraden Schultern und den lebhaften dunklen Augen. Doch inzwischen hatten sich bittere Linien um ihren Mund eingegraben, die Haare waren scheckig gefärbt, und in den Rillen ihres kräftigen Halses saß alter Schmutz. Nicht einmal das Wangenrot war echt, sondern entpuppte sich beim näheren Hinsehen als schlampig aufgetragenes Karmin.
    Zu seiner Überraschung wirkte sie plötzlich leicht verlegen, als habe sie seine Gedanken erraten.
    » Wenn man lange unterwegs ist, muss man eben gewisse Abstriche machen«, sagte sie geziert und zupfte an ihrem Rock, als könnte sie damit Schmutz und Straßenstaub abschütteln. » Das Wichtigste ist, dass meine Schätze sicher ans Ziel kommen.« Sie klopfte an eine der Kisten. » Jede einzelne von ihnen ist ein kleines Vermögen wert. Ich muss verrückt geworden sein, Euch das alles zu erzählen! Aber Ihr habt ehrliche Augen. Dafür habe ich einen Blick. Ihr werdet mir nichts wegnehmen.«
    » Euer Esel braucht dringend Wasser«, erwiderte Vincent. » Sonst werdet Ihr nicht mehr lang Freude an ihm haben. Seht Ihr nicht, dass ihm schon Schaum vor dem Maul steht? Allerdings ist er so überladen, dass er kaum den Kopf senken kann. Wenn Ihr wollt, kann ich die vordersten Kisten abladen helfen …«
    » Untersteht Euch!« Die Stimme war plötzlich schrill. » Ihr fasst mir nichts an, verstanden! Vielleicht ist es mit Eurer Ehrlichkeit ja doch nicht so weit her, wie ich eben noch dachte.«
    » Seid unbesorgt.« Vincent klopfte auf seine Satteltaschen. » Hier drin steckt alles, was ich brauche.« Dann berührte er seine Stirn. » Und der Rest ist hier drin. Mehr ist für mein Handwerk nicht nötig.«
    Er konnte förmlich sehen, wie es in ihr arbeitete, tat aber nichts, um ihr auf die Sprünge zu helfen. Inzwischen hatte der durstige Esel das Wasser gewittert und machte ein paar tapsige Schritte in Richtung Ufer.
    » Dann seid Ihr wohl ein …«, begann sie und stieß einen spitzen Schrei aus, als der Esel abrupt den Kopf senkte und eine Kiste dabei gefährlich ins Rutschen geriet.
    Vincent machte einen beherzten Satz nach vorn, bekam sie gerade noch zu fassen und zerrte sie zurück.
    » Seht Ihr jetzt, was ich gemeint habe?«, rief er. » Ich nehme sie herunter, wie vorgeschlagen, und helfe Euch anschließend beim Aufladen.«
    Der Esel trank voller Hingabe. Aus der Nähe war sein Fell stumpf, die Hinterbeine waren mit Kot beschmiert. Vincent spürte, wie Zorn in ihm aufstieg. Tiere waren für ihn Gefährten, die gute Behandlung verdienten.
    » Ihr solltet ihm kräftiges Futter geben«, sagte er, » ihn gründlich säubern und danach eine ganze Weile ausruhen lassen. Das hat er verdient.«
    » Will ich ja«, sagte sie. » Sobald wir die richtige Unterkunft gefunden haben. Ihr kennt Euch nicht zufällig in der Stadt aus – mit Eurem klugen Kopf, in dem angeblich so viel steckt?«
    » Ich bin hier ebenso neu wie Ihr«, sagte er. » Seht Ihr dort drüben?« Er wies zum anderen Ufer. » Die Fähre hat abgelegt.« Er packte die beiden Kisten und lud sie dem Esel wieder auf, der angesichts der neuerlichen Last kläglich zu schreien begann.
    Sie murmelte Unverständliches, nestelte an ihrem Kleid herum und versuchte, sich mit einem fleckigen Tuch den Schmutz vom Handrücken zu wischen. Dann zog sie eine Tonflasche aus ihrer Tasche und bot sie Vincent an.
    Rasch lehnte er ab.
    » Diese Hitze bringt einen schier um«, sagte sie, nachdem sie getrunken und sich mit der Hand den Mund abgewischt hatte. » Und was sie nicht alles schon angerichtet hat! Den ganzen Weg hierher – nichts

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