Die Pestmagd
sehr ich Euch und Euer wichtiges Amt zu schätzen weiß und daher …« Ratlos hielt Hennes inne.
Der Rheinmeister hatte die Felle zu streicheln begonnen, vorsichtig und behutsam, als handelte es sich um lebende Tiere.
» Wie weich sie sind«, sagte er, um einiges freundlicher. » Und haben doch den Tod schon geschmeckt. Wenn man es recht betrachtet, sind sie um einiges wertvoller als wir. Denn zieht man uns Menschen den Balg über den Kopf, bekommt hinterher keiner von ihm einen warmen Bauch.« Seine Hand fuhr ans Kinn. » Deine Schwägerin stammt nicht von hier, richtig?«
In Hennes begann ein Fünkchen Hoffnung zu glimmen.
» Aus Freiburg, soweit ich weiß«, sagte er. » Aber so ganz sicher kann man bei Johanna niemals sein. Sie dreht die Wahrheit, so wie sie sie braucht.«
» Und dein Bruder? Der tote Glasmaler? Hat der zu seinen Lebzeiten denn nichts über sie erzählt?«
» Severin?«, sagte Hennes mit bitterem Lachen. » Dem hat sie doch von Anfang an den Kopf verdreht, bis er Schwarz nicht mehr von Weiß unterscheiden konnte! Wachs war er in den Händen dieser Hexe, ihr ausgeliefert auf Gedeih und Verderben. Bis sie in unser Leben platzte wie ein Unwetter an einem Sommertag, hatte nichts uns Brüder jemals entzweit. Doch von da an war alles anders. Kein gutes Wort hatte Severin mehr für mich, und in seinem Testament hat er sie zur Alleinerbin gemacht. Das Haus zur Lilie gehört jetzt ihr. Und ich, sein einziger Bruder, bin leer ausgegangen.«
» Du könntest sie zur Frau nehmen«, schlug Rutger vor. » Und damit viele Schwierigkeiten auf einmal lösen. Gefällt sie dir nicht? Oder hat sie dich schon abgewiesen?«
Hennes senkte den Blick. Doch nicht rasch genug.
» Sie will dich nicht, verstehe«, sagte der Rheinmeister. » Es sei denn, sie gerät möglicherweise in Not und braucht mehr als alles andere eine helfende Hand.« Es hörte sich an, als würde ihm diese Idee gefallen.
» Johanna ist dickköpfig und eigensinnig. Da müsste …«
» … die Not schon sehr bitter sein, willst du sagen?« Die Hand des Rheinmeisters lag wieder auf den schimmernden Fellen. » Wie gut könnte solch ein Pelzkragen Bela stehen, meinst du nicht auch? Ein breiter, üppiger Kragen, aus dem ihr weißer Hals wie eine zarte Blume wächst. Vielleicht dazu noch ein Häubchen aus Fell anstatt des roten Hurenschleiers, den sie längst überhat? Wer könnte dem schon widerstehen!«
Hennes war zu ihm herumgefahren.
» Das Lilienhaus«, flüsterte er. » Dafür würde ich sogar meine Seele geben.«
» Dann pass bloß auf, dass der Teufel dich nicht beim Wort nimmt!« Rutger Neuhaus versetzte dem Kürschner einen spielerischen Stoß. » Sagt man nicht, er habe derzeit besonders spitze Ohren? Ich muss jetzt zurück zur Weinschule. Die anderen Rheinmeister erwarten mich.«
» Und die Pelze?«
Neuhaus zog die Stirn kraus.
» Kann ich Bela vorschreiben, was sie auf der nackten Haut trägt, wenn die kalten Tage kommen?«, sagte er nachdenklich. » Der Sommer wird bald vorbei sein. Dann stirbt das Licht. Ich denke übrigens, sie wartet nicht allzu gern.«
x
Die Flohstiche hatten sich entzündet. Leise fluchend schlüpfte Vincent de Vries aus seinen Stiefeln und begann sich die Fersen zu kratzen. Schon gestern hatte er die muffige Schlafkammer, in die die Wirtin ihn nach langem Palaver geführt hatte, mit Misstrauen betrachtet und ihren Beteuerungen, das Stroh sei frisch aufgeschüttet und sie habe die Magd erst am Vortag alles auswischen lassen, nicht einen Augenblick geglaubt. Das war es, was er an seinen Reisen quer durch Europa am meisten hasste: unterwegs überall von Läusen, Wanzen oder Flöhen befallen zu werden, die wieder loszuwerden aufwendig und mühsam war.
In seinem neuen Haus in Köln sollte all das Ungeziefer ausgesperrt bleiben, das beschloss er, während sich das Jucken an den Beinen zu unangenehmem Brennen steigerte. Er schlüpfte zurück in die Stiefel. Als Erstes würde er sich hier nach einer tüchtigen Magd umsehen, die für Reinlichkeit und Ordnung sorgen sollte. Am besten eine reifere Frau, kein junges Ding, damit sie sich bloß nicht wieder in ihn verguckte wie jene verträumte Sanne in Heidelberg, die bittere Tränen geweint hatte, als er ihr eröffnen musste, dass ihre Gefühle einseitig waren und er nicht daran dachte, sie jemals zur Frau zu nehmen.
Ob wohl die Fähre ans rechte Rheinufer noch lange auf sich warten ließ? Inzwischen waren seine Stute und er wenigstens nicht mehr die Einzigen an
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