Die Pestmagd
in diesem elenden Schuppen steht sie ja geradezu!«
Nicht zum ersten Mal, dass er sich über Arnheims Werkstatt beklagte. Am Duffesbach gelegen wie viele Färber- und Gerberbetriebe, die alle die Nähe des Wassers für ihr schmutziges Handwerk brauchten, ließ sie in der Tat Geräumigkeit und jeden Anflug von Vornehmheit vermissen.
» Ginge es nach mir, so wüsste ich längst den idealen Ort, um meine kostbaren Felle zu lagern«, stieß Hennes hervor. » Dort bräuchtet Ihr auch nicht zu schwitzen. Aber meine Schwägerin ist ja so stur, dass ich …« Er verstummte.
» Die Witwe Arnheim?« Rutgers Stimme hatte plötzlich einen wachen Unterton. » Sie war erst letzte Woche bei mir. Um sich das Recht auf Weinausschank verlängern zu lassen.«
Hennes nickte bekümmert.
» Und ich wette, Ihr habt es ihr prompt gewährt«, sagte er. » Johanna bekommt nämlich immer, was sie will. Leider!«
» Noch nicht. Sie muss erst den Besuch des Visierers abwarten, der nach den Richtlinien der Weinschule überprüft, ob in ihrem Geschäft auch alles seine Ordnung hat.«
Hennes begann fieberhaft zu überlegen. Er ging ein Risiko ein, wenn er sich jetzt zu weit vorwagte, aber durfte er solch eine Gelegenheit ungenutzt verstreichen lassen?
» Warum seht Ihr Euch nicht noch weiter bei mir um?«, fragte er langsam. » Ich hätte dort hinten zum Beispiel eine frische Lieferung Blaufüchse auf Lager, die in Qualität und Maserung ihresgleichen suchen. Vielleicht würde ja Euer Weib …«
» … die alt und fett geworden ist und genügend Rauchwerk bis ans Ende aller Tage besitzt«, fiel Rutger ihm ins Wort. » Bela dagegen, die blonde Kleine vom Haus am Berlich, könnte für kalte Tage sehr wohl etwas Warmes gebrauchen.«
Beide starrten sich an.
Der Mund Arnheims war plötzlich staubtrocken. Da war es wieder, jenes Pfeifen in seiner Brust, das ihm schon mehrmals Angst eingejagt hatte. Kürschner galten als besonders anfällig für Lungenkrankheiten, weil sie bei ihrer Arbeit ständig Staub und faule Dämpfe einatmen mussten. Deshalb galt ihr Handwerk ja auch als unsauber, wenngleich sich damit gutes Silber verdienen ließ und sie einen Löwen im Siegel führen durften.
Natürlich kannte er die kleine Hure nur zu gut, die unter ihm gestöhnt und geschrien hatte, als sei er der Erlöser höchstpersönlich. Seitdem sie im Frauenhaus ihre Dienste anbot, ließ er die restlichen Dirnen unberührt. Mal gab sie sich als Kind, dann wieder überraschte sie mit raffinierten Liebesspielen, die ihm die Fassung raubten. Keine andere im Haus am Berlich besaß diese fatale Mischung aus Unschuld und Verworfenheit, die ihn schier um den Verstand brachte.
Wie hatte er nur glauben können, er sei ihr Lieblingsfreier!
Bela besaß wahrlich genügend Auswahl, um sich den reichsten und mächtigsten unter all ihren Beischläfern herauszupicken.
» In diesem Fall würde ich zu Silberfuchs raten«, sagte Hennes, obwohl ihm die Worte nur mühsam über die Zunge kamen. » Zu hellem Haar – ein einziges Gedicht. Ich könnte die Felle zu einer kurzen Schecke verarbeiten, die der Beschenkten nichts als Freude bereitet. Darauf könnt Ihr wetten!«
Er brauchte nicht einmal Maß zu nehmen. Belas unwiderstehliche Formen waren für immer in seinem Gedächtnis eingebrannt.
Rutger Neuhaus stand plötzlich so nah vor ihm, dass er jede Linie in seinem Gesicht sehen konnte. Die schweren Lider, die Genuss und Ausschweifung verrieten; die scharfen Falten um Nase und Mund, die von Hochmut und raschem Aufbrausen kündeten; die Furchen auf der Stirn, Zeichen schlafloser Nächte und vieler Grübeleien. Jetzt schien Neuhaus innerlich vor Wut zu kochen, wenngleich seine Miene nichts davon verriet.
» Du glaubst doch nicht etwa, ich könnte bestechlich sein?«, sagte er leise und scharf zugleich. » Dann freilich hättest du einen kapitalen Fehler begangen, Arnheim!«
» Wie kommt Ihr darauf?« Die Hände des Kürschners flogen nach oben, um gleich darauf wieder kraftlos zu sinken. Der Rheinmeister war ins Du verfallen, keine vertrauliche Anrede, wie Hennes klar war, sondern offene Herabstufung, die ihn auf seinen minderen Rang verweisen sollte. Er hatte alles verdorben! Warum nur war ihm nichts Klügeres eingefallen? Inzwischen schwitzte er am ganzen Körper, fühlte sich stinkend und klebrig, als hätte er wie in seinen Gesellentagen den ganzen Tag Fehfelle in der Trampeltonne gestampft, um sie geschmeidiger zu machen. » Ich wollte lediglich zum Ausdruck bringen, wie
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