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Die Pestmagd

Titel: Die Pestmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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nicht gerade jetzt all ihren Verstand zusammennehmen?
    Plötzlich bereute sie, dass sie Ludwig fortgeschickt hatte. Und wenn er tausendmal seine Ennelin heiraten und zur Mutter machen würde – jetzt hätte sie einen Freund, der ihr zur Seite stand, dringender denn je brauchen können.
    » Geht jetzt!«, sagte sie. » Verlasst meinen Keller! Ihr werdet von mir hören, seid ganz gewiss.«
    Johanna wartete, bis des Visierers schwere Schritte auf der Treppe verklungen waren. Dann sank sie vor einem der Fässer zusammen, barg den Kopf in beiden Händen und lauschte dem ängstlichen Schlagen ihres Herzens.
    x
    In der dritten Badestube hatte Vincent de Vries endlich Glück. Die erste war geschlossen gewesen, die zweite so verdreckt, dass er es nicht über sich gebracht hatte, in eine der Wannen zu steigen, sondern sich so schnell wie möglich wieder davonmachte.
    Der Bader, ungefähr in seinem Alter, wie er schätzte, war ein kräftiger Mann mit wachen braunen Augen, die ihn eingehend musterten, als er in der Abziehkammer aus seinen Kleidern schlüpfte. Er reichte Vincent ein Tuch, damit er seine Blöße bedeckte, und führte ihn in die Badestube mit den Schwitzbänken.
    » Hab gerade frisch eingeheizt«, sagte er, während Vincent es sich auf den Holzbrettern bequem machte. » Und jetzt herunter mit dem Tuch! Hernach werdet Ihr Euch wie neugeboren fühlen.«
    Er wartete eine Weile, bis Vincent sich an die Temperatur gewöhnt hatte, der dann das warme Wasser, das er auf der Haut spürte, als eine wahre Wohltat empfand. Zuerst zog der Bader ihm ein Bündel aus Birkenzweigen über Beine und Arme, danach schlug er ihm damit fest auf Rücken und Gesäß. » Jetzt werden Eure Poren aufgehen, dass es eine reine Freude ist!«, rief er dabei.
    Der Mann verstand sein Geschäft, wie Vincent einräumen musste. Er spürte, wie Staub und Schmutz der Reise wichen – und alles Ungeziefer mit dazu, wie er nur hoffen konnte.
    » Die Flöhe haben Euch ja ordentlich zugerichtet«, hörte er den Bader sagen. » Ich geb Euch nachher ein Pulver mit, um dem Rest von ihnen den Garaus zu machen. Ludwig Weißenburgs Spezialmischung. Die hat schon so manchem geholfen.«
    » Ihr verrichtet die ganze Arbeit allein?«, fragte Vincent erstaunt, denn die Räumlichkeiten waren alles andere als beengt.
    » Wo denkt Ihr hin!«, widersprach der Bader. » Manchmal ist es hier so voll, dass man kaum noch Luft bekommt. Mein Knecht hat nur heute vom Saufen einen schweren Schädel, und die Magd hilft gerade meiner Frau. Die kann später ja auch mittun …« Er verstummte plötzlich.
    » Sie ist doch nicht krank?«, fragte Vincent.
    » Nur schwanger – und das zum ersten Mal. Da machen sie alle Zicken. Deshalb bin ich auch heilfroh, dass heute kein großer Andrang herrscht und ich bald nach Hause komme.« Er deutete auf die gegenüberliegende Tür. » Seid Ihr so weit? Dann kann es weitergehen.«
    Im eigentlichen Baderaum stand ein voluminöser Ofen mit einem Haufen Steinen obenauf. Vincent nahm auf einer gestuften Holzbank ganz unten Platz, während Weißenburg die erhitzten Steine mit Wasser übergoss und der Dampf auf Vincents Haut Schweißperlen bildete.
    » Ihr solltet Euch hinlegen«, rief der Bader. » Wenn Ihr mögt, auch gerne eine Stufe höher. Dann werde ich einen zweiten Guss riskieren.«
    Er wiederholte die Prozedur, bis Vincent zu japsen begann.
    » Ich denke, Ihr seid reif zum Waschen.« Er spülte Vincent mit lauwarmem Wasser ab, dann rieb er ihn mit einem Schwamm ab. » Ich verwende Rebenasche anstatt Seife aus Rindertalg, die meist übel riecht«, rief er dabei. » Noch nach Tagen werdet Ihr nicht stinken, das verspreche ich Euch! Wollt Ihr noch, dass ich Euch die Haare schneide oder den Bart stutze?«
    » Beides«, sagte Vincent. » Ich muss nämlich möglichst manierlich aussehen.«
    Als er wieder in seinen Kleidern steckte, fühlte er sich so wohl wie schon lange nicht mehr. Plötzlich begann er sich auf die neue Aufgabe zu freuen, die vor ihm lag, auch wenn er wusste, dass sie nicht einfach werden würde. Die letzten Jahre waren eine ständige Flucht gewesen, auf der er vor sich selbst davongelaufen war. Vielleicht ist Köln, dachte er, der richtige Ort, um endlich zur Ruhe zu kommen.
    » Ich werde wiederkommen«, sagte er, als es ans Bezahlen ging. » Schon sehr bald. Ihr führt ein Badehaus ganz nach meinem Geschmack.«
    » Das freut mich zu hören«, sagte Weißenburg. » Wollt Ihr Euch dauerhaft in Köln niederlassen?«
    » Genau das

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