Die Pestmagd
bestohlen hatten?
Sie gab ein kurzes Schnauben von sich.
» War nicht sonderlich schwierig.« Das füllige Gesicht verzog sich zu einem Lächeln, das früher einmal schmelzend gewesen sein mochte. » Wenn man die richtigen Fragen stellt, bekommt man in der Regel auch die richtigen Antworten. Hier sind wir ungestört. Allein das zählt.« Ihr Blick flog durch den Lagerschuppen, schnell und prüfend. » All diese Kostbarkeiten gehören Euch? Dann müsst Ihr ein reicher Mann sein.«
» Mein Lager – ja«, sagte Hennes, wider Willen geschmeichelt. » Aber leider nicht der richtige Ort, um Rauchwerk aufzubewahren. Viel geeigneter wäre ein trockenes Gewölbe, in der Stadt gelegen, wo man sich sehr viel weniger Sorgen um Ungeziefer und unerwünschte Eindringlinge machen müsste …« Er biss sich auf die Lippen. Wie kam er dazu, sein Innerstes vor einer Fremden auszubreiten?
» Ihr seid bestohlen worden?«, fragte sie weiter. » Eben erst? Welch unglaubliche Dreistigkeit!«
» Wie kommt Ihr darauf?« Sein Misstrauen flackerte erneut auf.
Sie gab ein kurzes dunkles Lachen von sich, das ihn seltsamerweise erregte.
» Ein tüchtiger Kürschner wie Ihr würde wohl kaum seine wertvolle Ware so bunt durcheinander auf den Boden werfen. Habe ich recht?« Ihre Lippen wurden schmal. » Konntet Ihr das Gesindel schon dingfest machen?«
Hennes schüttelte den Kopf.
» Aber ich ahne, wo ich suchen sollte«, sagte er. » Allerdings muss man auf der Hut sein. Denn wenn es sich tatsächlich um jene handelte, die ich verdächtige – die schrecken vor nichts zurück.«
Sie kam ein paar Schritte näher. Ihr roter Rock raschelte beim Gehen, und ein paar bunte Glasketten, die zwischen ihren Brüsten baumelten, klimperten. Ihr Haar war nachlässig goldrot gefärbt und ließ reichlich Grau durchschimmern, das breite Gesicht hatte seine straffen Konturen verloren. Und dennoch strahlte sie etwas aus, was er sonst nur von den Frauen am Berlich kannte, die ihre Körper feilhielten: derbe, unverhohlen zur Schau gestellte Sinnlichkeit, die wie ein Angebot wirkte, dem er sich nur schwer entziehen konnte.
» Ein ganzer Kerl wie Ihr hat doch keine Angst vor ein paar schäbigen Langfingern, oder?«
Ihr Dialekt war langsam und umständlich, obwohl er in seiner Schwerfälligkeit durchaus ansprechend wirkte. Seltsamerweise erschien er Hennes vertraut.
Wo hatte er ihn schon einmal gehört?
Nach einigem Nachdenken war er sich plötzlich sicher: Genauso hatte anfangs auch Johanna geredet während ihrer ersten Monate in Köln, bis sie nach und nach die heimische Sprechweise angenommen hatte …
Zufall? So viele Zufälle gab es doch gar nicht!
Mit wachsender Neugierde starrte er sie an. » Was wollt Ihr von mir?«, wiederholte er. » Was hat Euch nach Köln geführt? Und wer seid Ihr überhaupt?«
Sie lachte abermals, aber ihre dunklen Augen blieben dabei hart.
» So viele Fragen auf einmal!«, rief sie. » Dann lasst mich bei der letzten und einfachsten beginnen: Ich bin eine alte Freundin Eurer Schwägerin, der ehrbaren Witwe Arnheim. Auch wenn sie sich heute nicht mehr so gern daran erinnert.« Sie hielt kurz inne. » Weil sie womöglich ganz so ehrbar niemals war.«
Jetzt besaß sie seine ungeteilte Aufmerksamkeit.
» Was wollt Ihr damit sagen?«, presste er hervor. Jahrelang hatte er auf solche Nachrichten gehofft. Wurden seine heimlichsten Träume gerade erhört?
» Nun, ich kenne Johanna von früher. Als sie noch Suter hieß. Und heilfroh sein konnte, in der Freiburger Badestube ihr Auskommen zu finden.«
Das wurde ja immer besser! Severin hatte sich also unterwegs eine billige Bademagd aufgegabelt und sie als rechtschaffene Braut mit nach Köln gebracht. Da war es freilich kein Wunder, dass er wie auch Johanna so schweigsam gewesen war, wenn es um ihre Vergangenheit ging.
» Sie hat … männliche Kunden bedient?«, fragte er begierig weiter.
» Johanna war blond, jung und äußerst anstellig. So etwas gefällt vielen Männern.« Die Mundwinkel der Fremden verzogen sich verächtlich. » Manche kamen sogar von weit her, um sich in ihre kundigen Hände zu begeben. Alle konnten gar nicht genug von ihr bekommen. Bestimmte Fähigkeiten sprechen sich eben schnell herum.«
Seine Schwägerin, die ihm gegenüber so stolz und unnahbar tat – eine ehemalige Winkelhure! Beim Gedanken, was sich mit diesem kostbaren Wissen alles anfangen ließ, schoss ihm der Geifer in den Mund.
Die Miene der Frau verschloss sich plötzlich, als habe sie zu
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